Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 29. April 1940

Köln-Dellbrück, 29.4.40.

Mein lieber, guter Junge!

Nun wird es aber höchste Zeit, daß ich Dir schreibe. Denk einmal, gestern bin ich tatsächlich nicht zum Schreiben gekommen. Morgens bin ich um 6 Uhr zur Kirche gegangen, dann habe ich ein bischen gearbeitet. Um 9 ½ Uhr bin ich mit Herrn Lischewski in der Stadt gewesen, über 2 Stunden lang. Oben um die ganze Mielenforser-Wiese. Er ist ein großer Naturfreund + -kenner. War ein schöner Gang, obwohl es recht kühl + nebelig war. Dann habe ich gegessen und noch etwas genäht. H. L. mußte um 3 Uhr weg, Wache. Da bin ich zur Hanni gegangen bis 7 ½ Uhr abends. Dann wollte ich schreiben. Da kam Agnes Böhner bis 10 ½ Uhr. Ich nähte in der Zeit und nachher fielen mir die Augen zu. Nun weißt Du ja, des Montags geht’s [..], damit ich noch fortkomme. Ich fuhr spät nach Köln, auf dem Rückweg traf ich Berta. Ich war mit in ihrer Wohnung. Ein schönes Haus in der Machabäerstr. Das neue Haus neben der Kirche, es gehört dem Kloster. Das Zimmer, wie alle möblierten Zimmer, kahl + unpersönlich, ziemlich dunkel, nach hinten raus. Man sieht nur Mauern. Berta ist etwas gedrückt. Sie hat wohl Heimweh. Sie machte Kaffee, nachher sind wir am Rhein gewesen. Es war schönes Wetter. Auf der Stapelhaus-Terrasse haben wir gesessen + Apfelmost getrunken. So komme ich jetzt erst zum schreiben. –

Mein gutes Kind, wie geht es Dir? Ich warte auf Post. Ich bin nun gespannt, was jetzt wird, ob Du raus kommst. Mein Rudolf, ich bin gefasst + habe viel Gottvertrauen, daß der Herr Dich behütet und Dich mir gesund wiedergibt! Sei stark + froh! Ich denke viel an Dich + hab‘ Dich lieb! Wir wollen um ein gutes Ende beten! Bleibe vor allem gesund. Karl-Heinz Perger hatte eine schwere Lungenentzündung, er kommt wahrscheinlich in Erholungsurlaub! Frau P. hat viel viel Sorge. Herr Niedenhoff soll es auch schwer fallen. Franz-Josef von Heinrichs ist auch auf Schreibstube. Kannst Du das verstehen, so ein kräftiger Bursche? Das sind Männer!!! -----

Hier ist nun alles in vollster Blütenpracht. Die Äpfel blühen schon, trotz des langen Winters. Und des Morgens die Vögel, es ist herrlich. Nun haben wir diese Woche 2 Feiertage.

Besonderes wüßte ich heute nicht zu berichten. Alles geht seinen Gang.

So mein Junge, bis bald, dann schreibe ich wieder. In alter Liebe grüßt + küsst Dich recht recht herzlich
Deine Mutter