Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 14. November 1945

Köln-Dellbrück, 14. Nov. 45.

Mein lieber Rudolf!

Nun will ich Dir mitteilen, daß ich gestern Abend glücklich wieder zu Hause angelangt bin. Ich habe zum ersten Male in unserer Wohnung geschlafen im Wohnzimmer auf der Chaise. Nun bin ich im Hause + es ist Zeit, daß ich überall zum rechten sehe. Zunächst danke ich Dir für die gute + reichliche Verpflegung. Es waren Festtage für mich in jeder Beziehung. Das Gefühl, zu wissen Du bist da, und es geht Dir den Verhältnissen entsprechend gut, macht mich froh. Allerdings ist die Freude etwas getrübt durch die Nachricht, daß

Frl. Hausmann Dich besuchen wollte. Inzwischen ist sie vielleicht schon dort. Sie war zum 2.ten Male bei T. Finchen gewesen + hatte gesagt, sie wolle Dich besuchen. Vor längerer Zeit war sie dort gewesen, und hatte um Deine Adr. gebeten. Auch bei Jansen’s war sie gewesen. Das ist ja doch ein bischen dreist, zeugt auch nicht von guter Kinderstube. Als sie gehört hat, daß ich da bin, hatte sie gesagt, sie wolle dann nicht fahren, sie wolle mit mir nicht zusammen kommen vorläufig, bis Du die Sache mit mir besprochen hättest. Also fühlt sie sie sich schon sehr sicher. Sie ist

ja überhaupt in Dellbrück bei ihrer Schwester. Das ist für mich nun sehr unerfreulich. Wenn ich bedenke, wenn Du kommst, und die Heimlichkeiten beginnen wieder, und eines Tages stehen wir vor unliebsamen Tatsachen, so ist mir das Herz sehr schwer. Denn T. Fina sagte mir, sie sei sehr vernarrt in Dich und Du hast auch Feuer gefangen, weil Du sie sehr verteidigtest. Nun Schluß über dies unliebsame Tema. Ich könnte nach den jahrelangen Sorgen + Aufregungen nun endlich mal Ruhe gebrauchen. –

Also heute habe ich ein Oberhemd getauscht für eines von den grauen Hemden. Ich glaube aber, es ist Dir zu groß. Würdest Du mir umgehend Deine Halsweite angeben, da ich Deine Nummer nicht weiß, da Deine Hemden angefertigt wurden. Eventuell muß ich es ändern. Nun gehe ich morgen auf die Suche nach Deiner Hose. Hoffentlich habe ich Glück. Vielleicht bringe ich Dir die Sachen noch eben rauf! Nun ist das Wetter so schön klar + trocken, und ich hatte so böses Wetter. Hoffentlich haben die Gänge in die Stadt nicht geschadet. Was macht die Wunde? Ich hoffe, bald gute Nachricht von Dir zu erhalten. Ich wünsche Dir alles Gute + sende Dir viele liebe Grüße + einen Kuß
Mutter.