Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 8. Juni 1937

Köln – Dellbrück, 8. Juni 1937.

Mein lieber Junge!

Gestern erhielt ich Deinen Brief vom 6. 6. Ich danke Dir dafür! Mein Kind, warum bist Du denn so traurig? Gewiß, es ist sehr bedauerlich was Du da mitteilst. Aber, das ist so im Leben. Jeder Mensch schafft sich selber sein Schicksal. Daß vielleicht auch noch gute Kameraden auf solche Mädchen hereinfallen, ist besonders traurig. Es ist doch das Höchste, was unser Schöpfer dem Menschen gegeben hat, Mitschöpfer zu sein, es wird dieses nun so hinabgezogen, von zwei Menschen, die nur der Augenblick zusammenführt und die Sinnenlust. Und es soll doch in Liebe geschehen, wenn ein Mensch dem Andern sich ganz hingibt und ein so hoher Zweck erfüllt werden.

Ja, wenn man so ins Leben hineinschaut, Gott muß doch einen unendliche Geduld + Liebe zu uns Menschen haben! Ich kann die Menschen ja auch nicht verstehen, die nur um der Leidenschaft willen alles, das Beste hingeben. Ob sie keinen moralischen Kater bekommen. Ich glaube die meisten kommen sich noch wer weiß wie vor. Sie legen eben keinen hohen Maßstab an die Menschen und auch nicht an sich selbst! Ist Dein Freund Punsmann auch dabei? Du schriebst ja schon, dass Du zu Pfingsten niemanden gehabt hättest zum Ausgehen. Na, die Zeit geht unaufhaltsam weiter. Auch der Oktober kommt einmal! Und dann das zu Hause + die Arbeit. Das soll auch

 

Dich! Empfange nun recht recht herzliche Grüße + einen treuen Kuß                    

Mutter

Dir, mein Junge über so manches hinweghelfen. Wie ist es nun, kommt Ihr nach Wahn? Und wann? Ich werde so Gott will am 5. Juli meine Ferien anfangen. Am 6. + 7. ziehen Kurtz um, dann will ich zu Hause sein. Sie wollen aber …… und sie können auch hier bei uns schlafen. Wenn sie fort sind, mache ich Hausputz. Ich kaufe von ihnen noch Verschiedenes. Ob ich in Erholung gehe, glaube ich nicht. Erstens fehlts am Geld,. Ich verdiene jetzt wenig. Einmal kam ich diese Woche mit 1 Dzd Schals nach Hause. Dann muß ich noch allerlei anschaffen, für das eine Fenster neue Gardinen, Fußleisten muß ich streichen lassen u.s.w. Dann mehr Miete, die Maschine. Den Stoff habe ich Gott sei Dank erledigt! Aber er gehört jetzt Dir! Na, aber die Hauptsache ist, mein Kind kommt nach Hause, und ich bin nicht mehr allein. Dann können wir auch alles überlegen. Das Schlafzimmer räume ich aber schon um. Mit den Andern sehen wir mal! Wenn Du nur erst einmal hier bist! –

Onkel Willi ist am Montag nach Iserlohn eingezogen für 4 Wochen. Heinr. geht am 21. Juni für 12 Tage nach Wahn! Am Sonntag war Onkel Martin hier wegen der Erbengeschichte. Tante Anna ist am Samstag beerdigt worden. Ich erzähle Dir von ihr mündlich. Oder soll ich Dich in Soest mal besuchen. Wenn Du ja nach Wahn kommst, dann komme ich dahin. Also schreib mal darüber! Mein Kind, das versprochene Paket muß ich noch verzögern. Aber Du bekommst doch auch mal etwas. Elli ist am Sonntag zum Allgäu abgereist!

Nun wünsche ich Dir einen schönen Sonntag! Viel Freude, in unserm Sinne. Sei froh, trotzdem

 

Gott sei Dank, es regnet! Gestern + heute war die Hitze unerträglich. Ich denke so viel an Dich. Bleibe mir nur gesund mein Kind. Ich bete für