Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 14. November 1943

Köln-Dellbrück, 14.11.43

Mein lieber Rudolf!

Vorgestern bekam ich endlich Nachricht von Dir, Deinen lieben Brief vom 6.11. Schönen Dank dafür. Ich freute mich darüber, bes., da Du Deinen Besuch in Aussicht stellst! Also längeren Urlaub gibt es nicht? Du hast aber jetzt wohl mehr Abwechslung? Ich freue mich, wenn Dir Gelegenheit geboten wird, gute Theaterstücke zu sehen. Auch mir hat seinerzeit „Figaros Hochzeit“ sehr gut gefallen. Den Film „Germanin“ habe ich auch gesehen. Es geht mir jetzt besser, ich war noch nicht aus, seit Montag. Der Hexenschuß hat mir viel

Schmerzen verursacht. Heute war Heinrich mal hier. Letzte Woche war ich auch nicht in Iddelsfeld! Sobald ich nun kann, schicke ich Dir die Stiefel. Die sind aber bestimmt 4 Wochen unterwegs. Schreibe mir mal, ob ich auch für Dich die Weihnachtspäckchen bis zum 30.11. schicken muß. – Willi, der telegrafisch zurückberufen wurde, ist gestern Abend wieder zu Hause eingetroffen, bis zum 24.11. dauert sein Urlaub. T. Fine ist natürlich glücklich. Er beklagte sich, daß Du ihn als Matrose angesprochen hattest, wo er doch inzwischen schon Obgefr. geworden ist! – Du schreibst von Selbstaufopferung in Iddelsfeld. Rudolf, das ist auch etwas Berechnung. Ich bekomme dort gutes Essen + auch noch etwas mit Milch u.s.w. – Eben, es sind gleich

sieben Uhr schellt es, Oma macht auf, da kommt ein Frl. Hausmann und fragt nach Dir. Sie hätte seit 14 Tagen keine Nachricht von Dir, wollte wissen, ob Du noch in Guben wärst. Ich bin sehr überrascht, weiß nicht, was ich von Dir denken soll. Allzu freundlich bin ich wohl nicht gewesen dem Mädchen gegenüber. Es tut mir sehr weh, daß Du nicht aufrichtig bist. Ich denke, Du hast in H. die Ali. Und hier macht sich ein Mädchen Sorge. Es ärgert mich auch wegen Oma, die das doch nun erzählen wird. Du hast darin nicht meine Natur. Ich konnte nicht von einem zum andern gehen. Es ist nur leid, daß Du so veranlagt bist, ich hätte das

niemals geglaubt! Ich muß noch mehr für Dich beten, als bisher. Ich habe nichts dagegen, wenn Du Bekanntschaft mit einem ordentlichen Mädel hast. Und ich dachte, Du wärest über das schlimme Alter hinweg. Ich muß ja das Vertrauen, das ich auf Dich setzte verlieren. –

Und nun sende ich Dir herzliche Grüße
Deine
Mutter.