Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 26. Mai 1942

Köln-Dellbrück, 26. Mai 42

Mein lieber Rudolf!

Noch immer habe ich keine Nachricht von Dir! Dein letztes Schreiben ist vom 10.5.42. Ob die Post festgehalten wird? Ich denke nun doch, daß morgen etwas kommt! Es ist doch hoffentlich alles beim Alten? – Nun sind die Feiertage vorbei und ich habe heute wieder feste gearbeitet. Wir sollen ja jetzt mehr leisten, da größere Aufträge vorliegen. Gestern am Nachmittag klarte es auf, da bin ich mit Agnes Böhner nach Romaney gewesen. Ich habe mir das Anwesen von Dünner mal angesehen. Ein ganz netter Hof, aber kein Vergleich mit Bornheim. Die Tochter macht eine gute Partie. Es ist jetzt so schön da, so ruhig + alles so frisch grün. Ich dachte daran, daß Vater auch dieses schöne Fleckchen im bergischen Land sah. Wir sind von da nach Herrenstrunden gegangen + dann nach Haus. Das Wetter ist jetzt günstig für’s Wachstum, kühl + naß. Gebe Gott, daß wir eine gute Ernte bekommen. Heute Abend wollte ich zu T. Marie gehen, aber es regnet zu stark! Sie soll mir mal erzählen! – Sonst gibt es nichts Neues. Herr

Jansens Mutter ist ernstlich krank, infolge einer Verletzung, die ihr Mann ihr zugefügt. Das sind auch Verhältnisse. Fr. Jansen sagte, ehe die Alte abkratzt, möchte ich gern den schönen Teppich haben, sonst bekomme ich ihn nicht. Die haben Gefühle!!! Nun hat die alte Frau ihr Leben alles zusammengespart + sich selbst kaum satt gegönnt + ihren Kindern jedem ein haus geschenkt + bares Geld bekommen sie auch noch, auch auf Wäsche lauern sie noch + dann kein Wort des Dankes oder des Mitgefühls. Nein, Fr. Jansen ist durch + durch Egoist. Ich lerne sie immer mehr kennen. Nur wer ihr gibt + bringt, mit dem hält sie sich gut. Verständniß für andere Menschen hat sie überhaupt nicht. Na, ich lasse sie links liegen. Aber ärgern tut man sich manchmal. –

Frl. Heeg ist fort, es tut mir leid, das war ein ganz anderer Mensch, fein + taktvoll. Die gefiel mir. Fr. Plantz war länger nicht da. Pfingsten war Fritzchen hier, er ist ein goldiges Kerlchen, redet + redet! Ein paar Augen hat er. Er kommt gern zu T. Anna. Mit Kindern werde ich überhaupt am besten fertig. Da kann ich mich recht freuen. Ich glaube, ich bin auch komisch. Na, das wird man durch das ewige Alleinsein.

So, nun Schluß! Empfange herzliche Grüße + Küsse von Deiner Mutter.