Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 8. September 1940

Köln-Dellbrück, 8. Sept. 40.

Mein lieber Rudolf!

Ich sende Dir eine herzlichen + lieben Gruß, heute am Sonntag. Ich denke an Dich + daran, daß Du nun bald 26 Jahre alt wirst. Schon das zweite Mal Geburtstag im Kriege. Das hätte ich nicht gedacht! Möge unser Herrgott Dich auch in dem kommenden Lebensjahr führen so, wie es auch uns gefällt! Alles Gute erbitte ich für Dich, mein Kind! Wie ist es? Hörtest Du etwas von Margret? Ich bin ja selbst gespannt, ob sie offen zu Dir ist, oder ob sie die Sache einfach so einschlafen läßt. Ja, wo sie viel raus kommt, hat sie auch viel Gelegenheit, Menschen kennen zu lernen. Es tut mir leid um Dich, und doch kann ich das Mädel gut verstehen. Und wie geht es sonst? Bist Du gesund? Du schreibst Du fährst ein prima Wägelchen? Kannst Du denn schon fahren? Ich freue mich, daß Du das auch lernst. Und nun lernst Du vielleicht auch Skilaufen. Dort gibt es sicher schöne Ausrüstungen. Soll ich Dir etwas Geld schicken, ich meine, kannst Du unser Geld dort ausgeben, oder habt Ihr auch Frontgeld? Schreib‘ mir doch mal darüber. Sonst kann ich Dir doch nicht viel schicken, Du kannst doch eher etwas für Dich kaufen zum essen. Sorg‘ nur, daß Du wieder

etwas zunimmst, damit Du im Winter Fett zum Wärmen hast! Was machst Du heute wohl. Sicher schläfst Du jetzt. Hier ist es heute auch wieder kühl, nachdem es die ganze Woche sehr schön war. Morgen fange ich den Hausputz an. Große Lust habe ich ja nicht, in der dreckigen Wohnung. Aber jetzt bekommt man nichts gemacht, und ich will auch noch nichts machen lassen. Jansens sollen auch etwas dazu geben. Sonst sehen wir uns nach etwas Anderem um. Es gibt auch sonst noch schöne Wohnungen. Das sind alles Sorgen, wenn der Krieg einmal glücklich überstanden sein wird. Möge Gott es doch bald geben. Jetzt hat man wieder Sorgen, wo unsere Flieger so arbeiten in England, was die Engländer da nun machen. –

Frau Perger ist enttäuscht, K.-Heinz kommt nicht nach Haus zum Studium, er ist Ausbilder. Ich schrieb Dir ja davon. Oder bekamst Du den Brief nicht? Ja, wir müssen ja auch Geduld haben. Ein bischen Sorge habe ich ja, daß ich es noch schaffe, wo wir jetzt auch für die Miete sorgen müssen, und dann das Studium. Verdienen kannst Du nicht viel bei den Zwischensemestern. Da mußt Du tüchtig ans Lernen. Na, mal abwarten, „kommt Zeit, kommt Rat“. Besonderes gibt es nicht zu berichten. Alles ist beim Alten. Ich freue mich auf den

nächsten Brief von Dir. Nun gehe ich mit Hanni ein bischen spazieren. Könntest Du mal wieder dabei sein! – Nun recht herzliche Grüße + einen Kuß
in Treue
Mutter