Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 21. Oktober 1939

Samstag, den 21.X.1939

Mein liebes, kleines Mütterlein!

Schnell will ich Dir einen Sonntagsgruß senden! Für den kommenden Tag alles Gute. Denke bei der Messe an mich, auch ich werde morgen ganz besonders für Dich beten. Ich bitten den lieben Gott, daß er Dich mir lange erhält, daß er Dich schützt vor allen Schäden, daß er Dir guten Mut gibt und Dir später alles lohnt, was Du mir Gutes getan. Liebe Mutter, ich kann mir denken, daß Du mich Sonntags besonders vermißt, auch wir sind gerade am Sonntag mit all unseren Wünschen und allen Gedanken zu Hause. Etwas Zermürbendes hat unsere jetzige Lage. Bald wäre es uns lieber es ginge los. Dann sähe man wenigstens bald ein Ende.

Du kannst es glauben oder nicht bei mancher Gelegenheit rollen einem Kameraden die Tränen aus den Augen. Gerade die Alten packt das Heimweh besonders. Ich persönlich bin ja leider so gefühllos. Ich kenne kein Heimweh, ich schicke mich in die gegebene

Lage. Manchmal bedauere ich, daß ich so kalt bin. Gewiß ich sehne mich auch nach Dir, nach Hause, weil es aber noch nicht sein kann, gut – Ich halte durch! –

Hoffentlich beruhigen Dich diese Zeilen, Du weißt ja das ist Vaters Blut.

Gesund bin ich noch, trotzdem es jetzt hier oben mächtig kalt ist und augenblicklich ein scharfer Nordost weht.

Die Kameraden lassen manchmal den Kopf hängen. Se han et ärme Deer! Dann muß der Untffz. Schmitz trösten u. Blödsinn machen. Du staunst, aber dann kann ich das auch.

So jetzt genug von mir!

Wie es Dir geht weiß ich auch. So muß es bleiben. Tu Du jetzt mal was für Deine Gesundheit. Tee trinken, gut essen viel und häufig essen. Du weißt ja, Du kennst Dich doch nach mir am besten. Entweder bist Du schreibfaul gewesen, oder Briefe sind verloren gegangen. Versehe doch von jetzt an Deine Briefe mit Nummern.

Fast glaube ich auch, der Brief an Dr. Weber ist auch nicht angekommen. Ich kann mir sonst die Verzögerung garnicht erklären.

In Deinem Sonntagsbrief hast Du mir ja allerlei erzählt. Dafür bedanke ich mich. Gerade die Kleinigkeiten verbinden einen enger mit der Heimat.

Der Heinrich ist doch in Allem ein Glücksvogel. Oder ist das Leben der jungen Männer hinter der Front nicht beneidenswert? Hört ihr auch schon mal was von uns Feldgrauen an der Westfront?

Wir stehen hier bei Gewehr und müssen warten. Eine harte Geduldsprobe!

Liebe Mutter, wenn Du es möglich machen kannst, schicke mir doch bitte meine Uhr und Taschenlampe. Ich bezahle es Dir, wenn ich in Urlaub komme. Wenn ich Urlaub erhalte, komme ich doch erst in 8 Tagen. Das Gesuch mit Bescheinigung geht zur Division.

Grüße mir alle Bekannte u. Verwandte besonders Oma, T. Stina, O. Arnold, T. Marie, usw.

Diese Woche habe ich ja allen einmal geschrieben.

Also, liebes Mütterlein, einen schönen Sonntag und eine gute, neue Woche.

Herzlichen Gruß und einen Kuß
von Deinem Dich nie vergessenden
Jungen.