Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 27. Oktober 1942

Dienstag, den 27.X.

Mein liebes Mütterlein!

Heute kam nun endlich Nachricht von Dir. Gleich 3 lb. Briefe erhielt ich, Grüße vom 21., 24. und 25. d. M. Dafür hab‘ recht vielen Dank. Ich weiß nun, Dir geht es soweit gut, darum bin ich froh und zufrieden. Ich bin auch froh, daß mein Gesuch unterwegs ist und hoffe, daß Du diesen meinen Schritt, übrigens habe ich noch nichts unterschrieben, einmal verstehen wirst und gut findest. – Nach reiflichem Überlegen und Gesprächen mit vielen erfahrenen Offz. und Ärzten bin ich zu diesem Entschluß gekommen, der mich nicht reut. Sieh‘ einmal, damit käme ich sofort zum Studium, es würde mich nichts kosten. Wer weiß wielange der Krieg noch dauert? (Alle Studienurlaubsgesuche in der neuen Division sind abgelehnt). Wer weiß wielange die Offz. nach Kriegsende noch warten müssen bis sie die Uniform ausziehen können, in der Zeit kann ich ja schon fertig sein. Zudem würde ich kostenfrei und damit einigermaßen sorglos studieren können. Das Studium selbst ist gleichwertig jedem Studium an jeder anderen Universität. Die Kapazitäten der Reichshauptstadt dozieren. Und dann wird Dir jeder prakt. Arzt heute sagen, daß er nach Kriegsende doch dahin gehen muß wohin man ihn stellt. Ob ich nun in Uniform oder in Zivil Befehle ausführen muß bleibt sich wohl gleich. Das Verdienst ist nicht allzu hoch, erlaubt aber jedenfalls einen gut bürgerlichen Haushalt, dem Du hoffentlich noch lange mit Freuden vorstehen wirst und einmal einer jungen Frau bereitwillig übergeben wirst, denn Du sollst wissen, daß Dein Junge nur eine Frau nimmt, die Dich versteht und Dich gerne hat. Ich glaube, daß das bei Deiner Veranlagung und Deinem Verständnis nicht allzu schwierig ist. Bei diesem Entschluß habe ich auch an Dich gedacht, ich könnte Dir dann doch bald einen schönen Lebensabend, verzeih wenn ich davon schon spreche, machen. Ich weiß doch, daß die Näherei Dir immer Kummer, Sorgen und Qual bereitet hat, daß es Dich immer Überwindung kostet an die Maschine zu setzen. Du sollst sie einmal lassen, sollst einmal, wieder in einen netten Haushalt, in einen netten Kreis. Ich kann mir das sehr schön vorstellen.

Absender: Ltn. R. Schmitz
                 47729 A

Feldpost
Frau
A. Schmitz
Köln-Dellbrück
Thurnerstraße 27

Ich denke, Du kennst mich doch soviel, daß ich Dich nie lassen werden, daß Du immer bei mir bleibst, auch dann wenn ich einmal ein Mädel zur Frau nehmen würde. Über Verdienst schrieb‘ ich schon, Karriere erwähnst Du. Es ist doch überall so, auch beim Kommis, Leistung entscheidet. Gott sei Dank, steht die Heeres Medizin nicht mehr bei Rizinus und Aspirin. Es gibt tüchtige San. Offz. das beweist wohl der Ost Einsatz. Wer etwas leistet, kann dort auch weiter kommen. Chefarzt an einem großen, modernen Lazarett ist doch auch etwas! Ich weiß überdies ja auch noch gar nicht ob ich angenommen werde. Den Entscheid müssen wir abwarten. Zudem wird es später auch Möglichkeiten zur Veränderung geben. So schlimm ist das mit der Bindung nicht.

Der Brief vom 25. beruhigt mich ja auch wieder einigermaßen. Ich denke doch, daß Du mich verstehst. Ich denke nicht nur egoistisch!

Nun zum Urlaub. Ob ich kommen kann, weiß ich noch nicht, ich werde morgen den Kommandeur um 2 Tage bitten. Allerdings munkelt man von baldiger Veränderung. Wir freuen uns ja, wenn wir hier rauskommen. Bitte bereite nichts vor, wenn ich komme bin ich da und bringe Verpflegungsmarken mit. Du sollst Dir nichts absparen. Gibt’s was Neues von Heinrich, von der Familie? Wen hat Marga Bartz denn geheiratet?

Ich grüße und küsse Dich mein Mütterlein.
Dein Junge.