Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 28. Mai 1935

Bergheim, den 28.V.35

Liebe Mutter!

Wenn wir jetzt morgens frisch und frank und frei, mit blanken Augen der Sonne entgegenmarschieren. Wenn unser harter Gleichschritt dem Soldatenlied den Rythmus gibt. Wenn uns die Blumen, schwer von kristallenem Tau, vom Wegrain nicken. Wenn der Morgenwind vom blauen Himmel die Saat wellt dann begegnet uns ein anderer Zug, wesensfremd von uns. Wir sind laut, stolz, stramm und frei fröhlich. Die Anderen ziehen still, bescheiden, demütig einher. Wir singen, daß wir die Herren der Welt sind, wir singen von unserer Kraft, von unserem Amt, von Deutschlands Größe. Die Andern haben ein frommes Lied auf den Lippen. Sie bitten um gutes Wetter und gute Ernte. So verschieden die Züge sind, so verschieden ihre Fahnen und Lieder über beiden steht doch in den Wolken der Große. Ihm zur Seite steht seine Mutter, die minnigliche Maid, die Königin der englischen Schönheit, und die Königin des schönsten

Wenn Du mir Fußlappen schicken willst, würdest Du dann auch mal an Seife und Schuhcreme denken?

Monats des Mai. Beider Gruppen Bestrebungen sind im Innern gut. Beide wollen dem deutschen Volk helfen. Aber die Wege die Hilfe zu erlangen sind verschieden. Die einen erhoffen sie von sich, die andern sehen ihre Schwäche ein. Die einen glauben sich stark. Die anderen beten. Der Herr wird dereinst ihre Wege einen. Dann werden die einen bescheidener, die anderen selbstbewußter. Denn gerade unsere heutigen Katholiken sind meines Erachtens noch immer zu bescheiden, zu vornehm, haben zu wenig Selbstbewußtsein. Bete und arbeite, dies scheint mir das Richtigste. Bescheidenheit verbunden mit vornehmen, bestimmten Auftreten.

Demut verbunden mit Stolz, aber mit rechtem. Soweit auseinander sind sich beide Extreme nicht. Denn, wenn auch ein spöttisches Lächeln auf manchem Gesicht sich zeigte, manch anderes Auge leuchtete hell, vielleicht spiegelte sich ein Kindererinnern darin.

Auch in der heutigen großen Sorge wird der liebe Gott schon das Steuer nach seinem Willen führen. Einen lieben Maiengruß, einen Gruß der lieben Gottesmutter
und meiner lieben Mutter.
Euer Junge.

Vielleicht komme ich Sonntag.