Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 30. Dezember 1942

Köln-Dellbrück, 30.XII.42

Mein lieber, guter Junge!

Heute erhielt ich Deinen lieben + ausführlichen Brief vom 1. Weihnachtstag! Ich danke Dir herzlich dafür. Du hast also auch eine schöne Weihnachtsfeier erlebt, d. h. meist selbst gestaltet. Ich bin so froh, daß Ihr auch einer hlg. Messe beiwohnen konntet, ja, das war das Beste am Feste. Also waren die Kameraden zufrieden! Wurde bei Deinen Quartierleuten auch Weihnachten gefeiert? Warst Du auch eingeladen? Da hast Du ja Leben im Haus, 6 Kinder. Ist denn so viel Platz da? – Ich berichtete Dir ja über das Fest zu Hause! Morgen kommt Oma nun wieder mit den Kindern + Elli, die aus Dresden zurück ist. Sie hatte Heinr. noch schwach gefunden. Na ja, laufen kann er natürlich noch nicht. Nun ist Oma wieder in Sorge, Di kennst sie ja. Aber auch ich mache mir Sorge. Deinetwegen. Ziehst Du auch

die Leibbinde an. Es wird auch die veränderte Lebensweise dazu beitragen : andere Kost, andere Luft, anderes Wasser. Ißst Du viel Fleisch? Und einen Bandwurm hast Du? Wie kommt das? Was sagt der Arzt? Was machen Deine Zähne? Ich bitte Dich sehr, laß sie Dir in Ordnung bringen. Du bereust es einmal. Ich habe meinen Ersatz, es sieht gut aus, ich muß mich erst daran gewöhnen, das Essen geht noch schlecht. Es muß noch etwas geändert werden! – Nun brauche ich aber nicht auf ein baldiges Wiedersehen zu hoffen, wo Du die Einheit führen mußt. Ich kann mir denken, daß das allerlei Arbeit gibt! Also bist Du doch nicht als Erster in Urlaub gefahren, wie man Dir versprochen hatte. Warum hatte denn Ltn. Kühlberg Urlaub? Ist er in Deiner Batterie? Er scheint bei Reutgens das Prachtstück der Familie zu sein! – Du hast mir noch nicht den Empfang der 50 Rk. bestätigt, die ich am 2.12. Dir zuschickte! – Nun habe ich das letzte Stück Gans aufgegessen. Schade, daß ich Dir garnichts davon konnte zukommen lassen. – Frau Ermert kam

an den Tagen auch mit einem Paketchen rüber. Sie brachte etwas Gebäck, Zahnpasta, 1 blaue Kerze + einen schwarzen Wollrock! Dazu beiliegendes Briefchen. Ich habe mich gefreut! Ja, es wäre alles schön + gut, wenn ich Dich zu Hause hätte. Daß der Krieg auch kommen mußte. Er macht mir doch viele Sorge, daß Du nicht weiterkommst! Und doch müssen wir unserm Herrgott danken! Noch bist Du vor allem Unheil bewahrt + ich bin gesund! Nun ist morgen der letzte Tag des Jahres. Schon wieder beginnt ein neues! Allerlei Gedanken bewegen das Herz! Was bringt es für uns? Möge es uns ein gesegnetes werden. Mit diesem Wunsche grüßt + küsst Dich in Liebe
Deine Mutter.