Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 1. Januar 1941

Neujahr, 1941.

Mein liebes Mütterlein.

Gerade probiere ich die feinen Marzipan Kartoffel. Lecker sind sie! Überhaupt sind alle Leckereien, die mir das Christkind brachte herrlich. Frau Lindh ist voll des Lobes. Du kannst Dir die Freude von Gerd garnicht vorstellen. Ihr standen die Tränen in den Augen. Sie selbst will Dir in einem Brief danken. Ich war Sylvester und Neujahr im alten Quartier. Es war recht gemütlich. Die Norweger verstehen es in ihrem gemütlichen Heim diese Familienfeste zu feiern. Das Holzfeuer verbreitet eine angenehme Wärme verbunden mit diesem eigenartigen und feinen Geruch. Auf den Tisch kommt neben selbstgebrauten Bier und Schnaps das seit Jahrhunderten bekannte Weihnachtsbackwerk. Da gab es fatimänner, rombrodlefse, Julekake, smultringe usw. Rombrodlefsene sind verfeinerte Flatenbrote. Hauchdünn ist dieses Brot, dünner als Knäckebrot. Es wird auf

der Gußeisenplatte des runden Ofens im bryggerhus gebacken.

Ich war für beide Tage zu allen Mahlzeiten eingeladen. Der Mittagstisch sah dem deutschen Sonntagstisch ähnlich.

Nun sind die Feiertage alle. Meine kommen aber noch. Ich freue mich auf den Urlaub! Jetzt bin ich gespannt, wann ich von der Division Bescheid über das Resultat der Prüfung bekomme. Es ist mächtig kalt, -25-30° C. Der warme Pullover und die Skihandschuhe, die mir der Julenis in Norwegen brachte, tuen jetzt gute Dienste.

Gestern bin ich nochmals eine Stunde lang Ski gelaufen. Es ist aber fast zu kalt. Der Schnee ist verharscht, die Straßen vereist. Weiter kommt man nur mit Skiern und dem spark (Schlitten). Die Nächte sind sternklar und alles Leben ist erstarrt. Der geschäftige Bach schweigt jetzt auch. Das liebgewonnene Rauschen des Flusses ist verstummt. Seine Eisdecke ist eine wundervolle Eis und Skibahn. Wer Weihnachten an mich dachte? Du, Tante Stina und Herr Kirste, der Kreisleiter schickten mir schöne Päckchen. Oma und Tante Mal sendeten mir einen Kartengruß. Bald

hätte ich das Päckchen von Tante Finchen, mit selbstgebackenem Gebäck, vergessen. Bald mehr!

Viele Grüße Dein Junge.