Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 11. Dezember 1940

Berg.-Gladbach, 11. Dez. 40.

Mein lieber Rudolf!

Recht herzlichen Dank für Deine lieben Briefe vom 1.12. und vom ersten Adventssonntag. Nun kommen die Briefe langsam an, vom 3. + 4.12. die hatte ich schon bekommen. Also habt Ihr es Euch auch schön gemacht in Eurem neuen Heime. Habt Ihr tüchtig Heizmaterial? Und einen Adventskranz habt Ihr auch? Kennt man den in Norwegen auch? Nun ist es dort sicher bald den ganzen Tag dunkel, hier ist es ja nicht manche Stunde hell. Es ist ungesundes Wetter, immer Regen + Sturm. Ich freue mich, daß Du noch wohlgemut bist. Na, noch ein paar Wochen, und es geht wieder bergauf. Ich glaube noch nie hat man sich so nach dem Frühling gesehnt und nach Helle nach all der Verdunkelung. Der Führer hat uns ja Mut gemacht! Möge unser Herrgott seinen Plänen Erfüllung werden lassen. Nun rückt das Weihnachtsfest immer näher. Heute in 14 Tagen ist schon der 1. Festtag. Ob die Engländer uns die Tage ordentlich besuchen? Heute habe ich ein Päckchen für Gerd fertig gemacht. Ein kleines Album mit Bilder von Köln und dem Rhein, ein kl. Fläschchen Eau de Cologne, ein Kerzchen mit einem Stern + ein Kästchen Leckeres. Ob sie sich freut? Hoffentlich. Morgen schicke ich Dir noch ein Päckchen mit Aepfel. Lieber Rudolf ich habe eine Bitte. Verwahre Dir von dem Gebäck noch etwas für Neujahr. Ich habe nicht so viel gebacken, daß ich nochmal etwas schicken kann. Alles nur kleine

Portionen. Die Mandeln hatte ich so lange aufgespart. Also, bitte, tue es, damit Du dann nicht dasitzt + hast nichts. Hoffentlich schmeckt Dir alles. Wir haben so oft gebacken, Elli + ich. Hoffentlich können wir bald wieder in unserm Heim bleiben. Jetzt ist es ungemütlich des Abends aus der warmen Stube + dann hier ins Kalte + des Morgens in Nässe + Kälte hinaus, und dann kommt man zu Hause ins kalte Zimmer. Alles wegen dem Engländer. Zu Hause bin ich den ganzen Tag allein, da bin ich ja froh, abends hierher zu kommen, unter Menschen. Und Gott sei Dank, schlafen kann ich so gut hier. Frau Jansen hat mal wieder ihre Tour. Seit fast 8 Tagen habe ich sie nicht gesehen. Sie kann nicht ins Geschäft gehen, sie hat Rheuma. Mit Lingens ist noch dicke Freundschaft. Übrigens Elisabeth Lingens will sich Weihnachten verloben auch mit einem Uffz. Er soll Ingenieur sein + sehr gut situiert. Der arme Mann bekommt auch eine kranke Frau. Seit fast 3 Wochen liegt Elis. L. wieder an Gallenblasenentzündung. Karl Heinz Perger soll Weihn. schon wieder in Urlaub kommen. Das sind Soldaten!!! Willi hat noch nichts gehört. Der kleine Fritz ist wieder auf der Besserung. Hoffentlich finde ich bald eine passende Wohnung. Ich bins leid, bei den launischen Leuten. Die kümmern sich doch garnicht um mich! Nun will ich schließen, es ist Entwarnung, da wollen wir schlafen gehen. Bleibe gesund, damit Du bald kommen

kannst. Viele herzliche Grüße + einen festen Kuß
Deine alte Mama.