Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 30. April 1935

Köln-Dellbrück, 30.4.35

Mein lieber Junge!

Ich habe gerade ein Stündchen Zeit, da will ich mit Dir ein bischen erzählen! H. Comb. hat meine Arbeit mitgenommen, und für morgen gibt es wegen des Feiertages keine Arbeit. Ich bin auch froh, ich habe die letzte Tage ordentlich geschafft. Sonntag habe ich sogar bis des Nachts um 1 Uhr genäht, weil ich bei T. Amelie kochen mußte, und Samstags hatte ich in Köln bei A.W. gebacken; ich konnte nicht gut absagen! Da bekam ich zweimal eilige Arbeit für 8 Uhr, da weißt Du Bescheid, bis 12 Uhr, 1 Uhr und morgens um 5 raus! Vorige Woche bekam ich 2,70 ausgezahlt, da war nichts zu tun! Bei Käppels war ich um 11 ½ Uhr fertig, es wurde nicht sehr viel gekocht. Geld habe ich noch nicht, ich denke morgen kommt Fr. K. Sie war Samstag hier, da war ich weg! Bei T. Am. war es ganz schön, viel Trubel! Sonst ist hier nichts Neues; alles im Geleise! Ich habe mir oft sehr großes Verlagen nach Dir. Ich vermisse Dich sehr. Ich bin aber froh, daß Du Dich gut schickst. Tu auch weiter Deine Pflicht, und vergiß dies nicht, was die Hauptsache ist und bleibt, komme es, wie es wolle. Morgen beginnt der schöne Maimonat, denke oft an die Maienkönigin. Ja, mein Junge, ich weiß, daß Du das tust! Und daß ich auch Deiner + Vater’s im Gebete gedenke, daß brauche ich Dir nicht zu sagen! Anders kann

Ich schreibe, wie Vater früher so oft schrieb!
BD? H.D.? [..]? D? (Das werde ich Dir noch erklären)

ich ja jetzt nichts für Dich tun! Ich habe mich ja auch gefreut, daß Du bei der Reichswehr angenommen bist, es ist ja auch das Beste so! Die lange Trennung wird mir ja noch oft schwer werden; aber ich werde mich fügen! Was Vater wohl darüber denkt! Ich möchte es gerne wissen. –

Lieber Rudolf, ich habe das Gefühl, als ob Du Sonntag nach Hause kämst! Wie würde ich mich freuen!!! –

Wenn nicht, würde ich nach dort kommen, wenn Du Stadturlaub hast, also um dieselbe Zeit 3.12 an der Post! Ist es Dir recht, oder soll ich früher kommen? Darüber gibt mir bitte Nachricht! Wegen der Geburtsurkunden habe ich geschrieben. Ich habe eine + Du ja auch! Bliebe die von Oma + von m. Vater. Frage erst den Feldmeister, ob Du von D. Vater auch beibringen mußt! Oder ob es nicht nötig ist. Sprich offen mit ihm! Wenn Du sie haben mußt, schreibe an Vater und bitte ihn höflich darum! Sage ihm, daß Du Dich direkt an ihn gewandt hast, ohne lange das Vormundschaftsgericht in Anspruch zu nehmen! Das wäre ihm wohl auch lieber. Teile ihm dann auch D. Einstellung zum Militär mit, und die Waffe, zu der Du gezogen bist! – Wie geht’s Dir gesundheitlich bei dem unfreundlichen, kalten Wetter? Ich hoffe, daß alles in Ordnung ist! – Ich habe bei R. ein Paar Schuhe ausgesucht, 12,50, ich bringe sie Sonntag mit! Die billigen sind zu schlecht! Ich verkaufe die gelben Stiefel an Henselers in Mülheim, was sollen sie so lange stehen!

Nun Schluß, Georg kommt mit Arbeit, 8 Uhr f. Donnerstag, natürlich Silka[?]. Johanna kann mir fast nichts helfen!

Selbst ist der Mann! Alle lassen herzlich grüßen, bes. Hanni, sie wird so wild! Empfange recht, recht herzliche Grüße und eine lieben Kuß von
Deiner Dichliebenden Mutter.