Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 20. Februar 1943

O.-U. den 20.2.43

Liebes Mütterlein!

Heute erhielt ich nun endlich einen lieben Brief, ein Lebenszeichen, von Dir. Ich danke dem Herrgott für den Schutz, den er Dir angedeihen ließ und freue mich, daß Du gesund und wohlauf bist. Allzu gut verstehe ich Deine Nervosität, aber Mütterlein, dagegen mußt Du energisch angehen. Ich weiß, daß es für eine Frau schwer ist, viel zu schwer, das Alleinsein drückt, aber Sorgen darfst Du Dir keine machen. Man muß heute für das nackte Leben dankbar sein, man muß sich freuen, wenn man wieder einen Tag leben durfte, man darf sich keine Gedanken über die Zukunft über den Besitz machen. Du weißt doch, daß ich in Sicherheit bin, um mich brauchst Du Dir also keine Sorgen zu machen. Ich lebe recht gut hier und freue mich auf die Ablösung im Amt, wenn mein Chef zurück kommt und auf meinen Urlaub. Geht es mir nicht gut im Vergleich zum Schicksal vieler Kameraden, im Vergleich zu Heinrichs Los. Muß man da nicht dankbar sein. Wer heil aus diesem Orlog kommt, der hat das große Los gezogen. Ja, und was machen wir mit Dir? Willst Du nicht von Köln, aus der Großstadt weg? Ich habe hier Kameraden aus Mitteldeutschland, aus Thüringen, die sich für mich verwenden wollen. Ich könnte auch Herrn Kirste einmal fragen! Sehr, sehr gerne möchte ich Dir helfen.

Schreib‘ mir einmal Deinen Gedanken! Habt Ihr in Dellbrück in der letzten Angriffsnacht auch Schaden erlitten? Ich bin wiederum froh, daß Du nicht so sorglos bist und im Bett liegen bleibst. Habt Ihr Euch den Keller denn nun eingerichtet? Sind die Durchbrüche zu Ermerts und Lingens fertiggestellt? Warum geht Ihr nicht mehr zur Schule, ich glaube diese Tatsache wenigstens aus Deinen Briefen herauszulesen. Jetzt in den hellen Vollmondnächten habt Ihr sicherlich Besuch. Bei dem Großangriff auf Köln war es doch sehr stürmisch. Ich kann mir denken, daß Ihr Euch zu Bett gelegt habt und eine ganze lange Nacht durchschlafen wolltet in dem Gedanken das Wetter ist so schlecht, diesmal passiert nichts! – Du schreibst von Deinem Gladbacher Ausflug. Wie geht es eigentlich Ellis Schwiegereltern? Einer dieser alten Herrschaften war doch krank? Was macht Oma? Ich schreibe morgen nochmals nach Dresden! Von Willi höre ich garnichts mehr, ist er noch auf dem Lazarettschiff? Was macht seine Braut? Haben Lingens wieder etwas von dem U-Bootfahrer gehört? Was gibt es sonst Neues? – Ich lege einen Satz im Umlauf stehender Briefmarken bei, vielleicht kann ich Onkel Willi damit eine Freude machen. Herr Ermert hat vielleicht auch Interesse?

Nun, Kopf hoch, Blick geradeaus, wir werden es schon schaffen. Mit Gott, Mütterlein!

In alter Frische grüßt und küßt Dich
Dein Junge.

Wenn der Chef zurück ist, werde ich das Gesuch um Einschreibung an die Kölner Uni einreichen.