Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 25. Dezember 1939

Weihnachten 1939

Meine liebe Mutter!

Kriegsweihnacht 1939! Nun sind die schönen Festtage da. So traurig wie ich sie mir vorgestellt hatte sind sie nun doch nicht geworden. Wir haben es uns so nett wie eben möglich gemacht.

Nun will ich Dir einmal den Verlauf bis zum jetzigen Zeitpunkt, dem Abend des ersten Feiertages erzählen.

Der Winter ist mit seiner Pracht eingezogen. Es friert, daß das Eis knackt. Nachts steht der strahlende Mond am sternflimmernden Himmel. Wunderbare, heilige Nächte. Das Mondsilber verwandelt die schöne Berglandschaft in ein Märchenland.

So kam der Heilige Abend. Wenn ich auch augenblicklich, selbst am Heiligen Abend, noch Flikkommando, das heißt: „Ausbildungslehrgang für Unteroffiziere“; hatte so dachte ich doch viel an Dich, an zu Hause. Man stellt dann immer wieder Vergleiche an. Man denkt an frühere Jahre, an schöne Weihnachtsabende. Bis 18.00 war Dienst.

Morgens hatte ich in der großen Mannschaftsbaracke einen Altar gebaut um 10.30 war Feldmesse, unsere Soldaten-Weihnacht.

Just zur selben Zeit bist auch Du sicher noch einmal in der Kirche gewesen und hast an mich gedacht wie auch ich es tat.

In dieser Messe erhielten wir die allgemeine Absolution und dann gingen wir gemeinsam zum Tisch des Herrn. So waren wir also zur Weihnacht gerüstet.

Abends war dann die Weihnachtsfeier.

Erst Essen von Kartoffelsalat und gestifteten Würstchen. Dann Gemeinschaftsempfang der Rede des Oberbefehlshabers. Dann kam die eigentliche Feier. Ich habe ein Gedicht vorgetragen, und nach dieser schlichten Feier, bei der alle unsere Gedanken bei Euch waren, kam dann der gemütl. Teil.

Wir haben dann bei einem Glas Bier noch einige Stunden verbracht. Um 3.00 Uhr kam ich zu Bett und um 5.00 bein ich dann wieder aufgestanden um mit einem Kameraden und den Quartiersleuten zur Mette zu gehen. Es war wie Du es Dir auch vorstellen wirst wunderbar. Durch mondhelle Nacht, durch Rauhreif und Eis ging es abwärts zum Städtchen, von vorne schon leuchteten die bunten Kirchenfenster. Ich hab nur an Dich gedacht. Zur selben Zeit warst auch Du in der Kirche und hast für mich gebetet, ich habe es gespürt.

Von der Mette wieder bergaufgestapft lud uns die Bäuerin zum Morgenkaffee ein. Es war fast wie zuhause. Der warme Kaffee und der Kuchen mundeten vorzüglich.

Jetzt ging’s zum Stalldienst. Bis 11.00. Dann haben wir einen Morgenspaziergang gemacht und viele Aufnahmen gemacht. Hoffentlich ist alles was geworden. Dann kam das Mittagessen, und dann hab ich mich etwas auf’s Ohr gelegt. Um 15.30 habe ich gefüttert und habe jetzt angefangen zu schreiben.

Und wem ich geschrieben habe?

1.) Dir! – Ich danke für Alles. Für die feinen, leckeren Päckchen, das feine Gebäck, für die Schokolade, für das schöne Buch und nicht zuletzt für den Baumschmuck. Wir haben hier in jeder Stube einen Tannenbaum. Selbst beim Bauern habe ich den Baum geschmückt.

Also vielen, vielen Dank für Deine lieben und herzlichen Wünsche und Weihnachtsgrüße.

2.) Der Margret! – Gelt, Du bist erstaunt. Ich habe jetzt einen regelrechten Briefwechsel mit Ihr. Sie hat mir einen lieben Weihnachtsbrief geschickt und ein kleines Buch: „Die Fahrt in den Heiligen Abend“, von Wilh. Schäfer.

Sie ist ein Prachtmädel. Hoffentlich sehen wir uns einmal wieder.

3.) Dem Reichsapothekenführer. Er schickte mir das Blaue Buch: „Die schöne Heimat!“ und einen frohen Gruß der ganzen Berufskameradschaft. Auch dafür bedankte ich mich umgehend.

Liebe Mutter, Du siehst, ich bin nicht vergessen. Es gibt viele Menschen, die an mich denken. Es ist auch so wie Margret schreibt: Gerade diese Zeit wird das, was zusammengehört nun noch fester zusammenbinden.

Nun liebe Mutter, wie und wo verlebst Du die Feiertage? Auch Du wirst mir darüber berichten! Ich hoffe, daß Du guter Dinge bist und frohgemut in die Zukunft siehst.

Ich komme nach Neujahr, dann muß ich den Futtermeister wieder vertreten, in Urlaub. Und zwar wird es der 4. 5. oder 6. Januar sein. Wahrscheinlich komme ich für 7 Tage.

Ich kann Dir mitteilen, daß mein Gesuch auf Beurlaubung läuft. Die Batterie, die Abteilung haben zugestimmt, wenn sie Ersatz bekommen. Und diesen bekommen wir dauernd, weil wir viele Ausfälle durch Kranke haben.

Ich bin froh, daß die Papiere zu Hause sind. Na, ich werde sie ja bald sehen.

Nun wünsche ich Dir alles Gute, eine frohe Gesundheit und stille Zufriedenheit und innere Ausgeglichenheit.

Ein frohes, glückliches und segensreiches Neujahr wünscht
Dir
Dein Junge.