Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 11. Oktober 1942

11.10.42

Mein liebes Mütterlein!

Heute erlebe ich wiederum einen Sonntag in deutschen Landen, in der Heimat. Langsam gewöhnt man sich daran, daß die Zivilisten alle deutsch sprechen, anfänglich war man versucht die Leute auf norwegisch anzuquasseln. Man muß sich umstellen, und das tuen wir gerne! Wie ein Sonntag Morgen auf einem Truppenübungsplatz aussieht kannst Du Dir vorstellen. Ich sitze am Fenster meiner gerade nicht gemütlichen Stube und schaue in einen bunten Birkenwald hinein, die Kameraden machen ihren Spaziergang und warten sehnlichst auf das Mittagessen. Man hat hier nur einmal am Tag Hunger, und wir sind froh, wenn wir bald wieder abreisen. Etwas haben wir über unsere Zukunft gehört, wir kommen wieder an’s Meer, aber nicht mehr soweit nach Norden, noch haben wir kein Gerät usw., das wird im Laufe der Woche ankommen und hoffentlich sind wir bald komplett, damit die Reise losgeht. Der Platz ist wirklich ganz großartig eingerichtet und trotzdem ist es draußen schöner.

Kalt und naß ist das Wetter, es ist Herbst, von der schönen Heide Hermann Löns‘ ist nichts mehr zu sehen. Mir geht es aber doch gut und ich fühle mich gesund, die Strapazen der Reise sind vergessen und überstanden. Den heutigen Tag werde ich mit Briefschreiben und Lesen verbringen. Im Augenblick lese ich Kolbenheyers „Paracelsus“. Ich habe noch allerlei, was ich nicht mit in den

neuen Standort mitnehmen möchte. Vielleicht wird sich schon bald klären, ob wir Offz. auch für 1 oder 2 Tage in Urlaub fahren können, dann will ich noch Bücher, Skistiefel und Weste mit nach Hause bringen. Man muß das Marschgepäck verkleinern, in den 2 ½ Jahren Norwegen hat sich allerlei angesammelt.

Die Battr. hat mir einen herzlichen und schönen Abschied bereitet. Ich habe mich gefreut, daß ich gut gelitten war und als Kamerad angesehen war. Es war eine schöne Aufgabe eine Battr. führen zu können. Nun bin ich zu einem Abtlgs. Stab als A.v.K. Führer versetzt, d. h. Führer des Artl. Verbindungskommandos. Zum Tragen kommt diese Funktion nur beim Einsatz, bei ruhender Truppe bin ich 2. Adjutant und befasse mich mit Kraftfahrzeugen, mit Waffen u. Gerät und bin Ordonnanz, Luftschutz u. Gasabwehroffz. Du siehst zu tuen gibt’s schon was!

Verzeih, wenn ich bis jetzt nur von mir sprach. Ich hoffe, daß meine Zeilen Dich froh und gesund antreffen, und Du nun allmählich Deine neuen Zähne hast. Wie sieht es mit der Arbeit aus? Wie sind die Aussichten auf eine andere, neue Beschäftigung? Du wirst mir bald schreiben!

Einen lieben, frohen Sonntagsgruß und Kuß
sendet Dir
Dein großer Junge.

Die neue Feldpostnummer ist noch nicht bekannt bis dahin gilt die Anschrift:
„Einheit Obltn. Matthias, Post Belsen b. Celle“.