Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 5. Oktober 1941

Zu Hause am Sonntag, 5. Okt. 41

Mein lieber großer Junge!

Es ist Sonntag-Morgen. Ich bin von Gladbach nach Hause gekommen, weil Josef noch da ist. Da muß ich, so gut es geht, den Sonntag allein gestalten. Heute mache ich es so: Augenblicklich backe ich ein paar Plätzchen für Dich, die in den nächsten Tagen abgehen. Auch sende ich Dir dann zwei Nummern „Das Reich“. Ich hatte sie bis jetzt noch nicht gelesen, und das möchte ich doch erst, sie sind ja immer noch interessant, auch wenn sie ein paar Wochen alt sind. –

Eben kommt Frau Ermert + bringt mir einen schönen Strauß Herbstblumen, (ich hatte ihr gestern ein paar Kartoffeln überlassen), ich freue mich über die Blumen, ich stelle sie auf Deinen Schreibtisch, zu Deinem lieben Bild. Es tut mir doch leid, daß wir das verbummelt haben mit dem Fotografieren. Jetzt, wo ich wieder so einsam bin, nehme ich oft Dein Bild + Dein Album + erfreue mich daran. Augenblicklich hat mal wieder keine Zeit für mich. Elli hat ihren

Mann + Oma geht wieder hamstern, Obst. Ich fühle doch immer wieder, daß ich [..] so garnicht recht verbunden bin. Es mag ja auch etwas an mir liegen, es ist eben kein rechtes Verständnis da. Da vermisse ich Dich umso mehr. Also, um auf den Sonntag zurück zu kommen, gleich nach Mittag kommt Fr. Plantz, ich will mit ihr spazieren gehen. Ich kann mich wenigstens unterhalten mit ihr, wenn sie auch manchmal kratzbürstig ist. Sie meinte letzthin noch für Dich wäre der Krieg bis jetzt nur eine Erholung gewesen. Es wäre nicht recht, daß immer dieselben Leute vorn wären u. s. w. Ich gab ihr zur Antwort daß 1. niemand etwas dazu kann + 2. der Krieg ja noch nicht zu Ende sei. –

Nun kommt gerade ein Brief von Dir. Ich wartete schon jeden Morgen. Also Du wirst versetzt! Alles, alles Gute für Dich in Deiner neuen Stellung. Mein Junge, auch ich bete täglich, fast stündlich, für Dich. Es ist das Wichtigste, was die Heimat für Euch da draußen tun kann. Heute ist Rosenkranzfest, der Monat Oktober. Trägst Du auch Deinen Rosenkranz immer bei Dir?

Gedenke auch öfter kurz der Gottesmutter, unserer mächtigen Helferin + Fürsprecherin.

Fein, daß Du ein paar Kameraden schon kennst + auch die Stadt. Nun bin ich gespannt auf weitere Nachrichten. Ein Norwegenurlauber hier meinte, ihr kämt nach Finnland. Mein Kind, wo Du auch immer sein magst, Du bist unter Gottes Schutz. Wir sind machtlos, können nichts ändern. Hast Du auch die Führerrede gehört? Ja, Vieles Schwere steht uns noch bevor + langes Alleinsein. „Wie Gott will“, er muß uns helfen. Wir wollen unsere Pflicht tun. – Ich höre gern, daß es Dir gut, auch ich kann gesundheitlich nicht klagen, die Erholung in Dausenau + manche schöne Sonnenstunde haben mir gut getan. Nun ist mein Wunsch, bald eine andere Wohnung zu haben, damit ich wieder ganz in meinem Heim bleiben kann. Da ist es am schönsten!

Nun leb wohl für heute, Rudolf. Herzlich grüße + küsse ich Dich + bin + bleibe
Deine
treue Mutter.