Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 23. April 1940

Dienstag, 23. April 40.

Mein lieber Junge!

Für Deinen lieben Brief vom Freitag, den 19.4. sage ich Dir herzlichen Dank. Er kam ja nicht zum Sonntag, sondern am Montag-Nachmittag. Ich meine, Du wärest ein wenig traurig gestimmt gewesen, als Du ihn schriebst. Ja, es macht das Frühjahrswetter. Auch mich überfallt des Abends immer so eine leise Sehnsucht, dann empfinde ich am stärksten, daß Du fort bist. Man kann es dann manchmal nicht fassen, daß man so einfach auseinandergerissen ist. Aber man muß wieder zu sich selbst zurückfinden, alles Grübeln + Grämen hilft ja nichts. Ja, wir wollen tapfer in die Zukunft sehen + an eine bessere glauben, sie muß nur erst erkämpft

werden. Es wird wohl noch etwas dauern. So schnell gibt der Engländer noch nicht klein bei. Das Geld + die Juden!

Ich freue mich, zu hören, daß es Dir gut geht! Das ist die Hauptsache. Ich wundere mich, daß Du nichts von dem Kuchenpäckchen erwähnst. War es noch nicht da. Hast Du keinen Namenstag gefeiert mit den Kameraden? Du erwähnst nichts davon. Inzwischen wird auch das kleine Päckchen mit Schokolade + Feigen angekommen sein? Was soll man immer schicken? –

Tante Stina + O. Arnold waren am Sonntag bei Berta. Sie haben ihr das Radio gebracht! Bis des Abends waren sie da. Nun sind alle Freunde weg, jetzt steht sie allein. Ich muß sie auch mal besuchen. – Hanni liegt seit Sonntag mit den Masern. Sie hat sie ordentlich. Sie ist so geduldig.

Gleich gehe ich nochmal zu ihr. Heute hat O. Georg Namenstag, da muß ich auch noch hin. Heute besuchte mich Lia Scharrenbroich kurz. Sie ist noch in Refrath. Sie schickt sich ziemlich. Sie hat’s nicht leicht bei der alten Tante, und dann die Lia. Aber sie ist ziemlich ruhig geworden. Nett ist sie gerade nicht, klobig, wie die Mutter. Ja, wo sind ihre hochfliegenden Pläne hin? Weißt Du noch, was sie alles vorhatten? –

Von Vater höre ich noch nichts. Ich bin mal gespannt zum 1.5. Ich schreibe aber nicht. Immer betteln! Was sagst Du dazu? –

Seit Samstag ist wunderbares Wetter, gestern + heute über 20°. Es grünt + blüht überall. Pflaumen + Frühkirschen blühen schon herrlich. Es ist eine schöne Zeit. In der Natur

geht alles weiter, trotz Krieg + Sorge + Leid. Ich will nächstens des Sonntags mit Elli wandern. Morgens-früh wollen wir gehen, nach Altenberg, nach [..], nach Lindlar u.s.w. Dann vergißt man sich etwas. Nun kommt für Euch auch eine schlimme Zeit, im Winter die schreckliche Kälte + im Sommer die Hitze. Sei bitte vorsichtig mit dem Trinken, vor allem meide kaltes Bier, wenn Du erhitzt bist. Schütze Deine Gesundheit! Auch Frau Plantz war heute hier, sie ist noch dieselbe. Was die nicht alles im Voraus wissen. Ihr Mann wußte das alles mit dem Norden, komisch, nur vorher hört man nichts davon. Na, laß sie man. Nun hoffe ich, auch wieder bald Post zubekommen. Dich grüßt + küsst recht herzlich
Deine Mutter.