Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 18. November 1945

Lüdenscheid, den 28.11.45

Mein liebes Mütterlein!

Für Deinen lieben Brief vom 23. d. M. muß ich Dir besonders herzlich und innig danken. Ich bin sehr froh, daß Du mit mir einig bist, daß Schwester Heidi ein feiner Mensch ist und Du mich in der wichtigen Frage Frau, Liebe, Ehe verstehst und mir mit allen Deinen Kräften helfen willst. Du mußt wissen, daß es für mich nicht einfach ist den richtigen Lebenskameraden zu finden. Mein Alter, auch der Krieg, haben mich kritischer, vielleicht zu kritisch und genau gemacht. Ernste, schwere Stunden werden nie vergessen werden können, sie haben ihren Niederschlag in einem ernsteren Lebensbild gefunden. Dann macht auch die dunkle, ziemliche aussichtslose Zukunft in dieser Kardinalfrage Sorgen, und dann wielange wird es dauern bis ich etwas verdiene und heiraten kann? Ist es da Recht ein Mädel zu halten, auf eine spätere Zeit zu vertrösten? Ich muß mir das Alles noch sehr gründlich überlegen. Man ist mit 31 Jahren eben kein Springinsfeld mehr, es fehlt in Vielem an Schwung,

es kommt meine Schwerblütigkeit noch hinzu. Jedenfalls bin ich froh daß es mit Ria aus ist und ich Dir damit nun auch keine Sorgen mehr mache. – Noch immer tut es mir sehr leid, daß Du Dich hier in Lüdenscheid erkältet hast, ist es nun bald wieder gut? Schade, daß die Wohnung noch nicht frei ist, wenn Kaisers nur nicht noch den ganzen Winter dasitzen, fast möchte ich glauben, sie bemühen sich nicht allzu sehr. Eines rate ich Dir, nimm nicht soviel Rücksicht, Du bist Wohnungsinhaber, Du bist Eigentümer der Möbel. Es kann Alles in Frieden gehen, Du sollst aber nicht zurückstehen und den untersten Weg gehen. Wenn Du Schwierigkeiten hast komme ich für 1-2 Tage und rede einmal ein Wort mit. Erneut mache ich Dir den Vorschlag noch einmal für einige Tage nach hier zu kommen. Der neue Durchbruch wird ja nun fertig sein, komme wenn Du die Küche eingerichtet hast. Ich würde mich ordentlich freuen! Mein Bein macht Fortschritte, doch schone ich mich noch etwas. Heute bin ich zum ersten Mal mit Stock in der Stadt gewesen. Meine Zähne lasse ich in der nächsten Woche in Ordnung bringen. Ich weiß noch nicht wie ich an einen Mantel kommen soll. Bisher sind meine Versuche gescheitert. Wenn Du mich

besuchen kommst bringe bitte meinen Hut mit. Ich kann mit meiner Mütze ja nicht mehr ausgehen, man ist jetzt ziemlich scharf geworden. Morgen geht mein Rock zum Färben, ich bin gespannt wie er wird. – Kannst Du mir raten was ich Heidi zum Weihnachtsfest schenken soll. Ich muß mich für die Einladungen revanchieren. Ja, Weihnachten wird wohl arm werden. Im Vorjahr gab es noch Gänsebraten usw. Da hatte ich noch eine ganz nette Feier.

Nun zum Geschäftlichen!

Die gewünschte Bescheinigung kann ich erst schicken wenn Du mir die Nummer des Sparkassenbuches mitgeteilt hast, dann erledige ich es selbstverständlich sofort. Mütterlein, warum fragst Du denn ob Du Oma 50,00 Rm schicken solltest? Es ist doch Dein Geld und damit kannst Du doch machen was Du willst. Mach‘ Oma nur eine Freude!

Hast Du meine chemischen, physikalischen und botanischen Ausarbeitungen in den kleinen Soenneckenheftern gefunden? Würdest Du sie mir schicken oder besser mitbringen? –

Wie ist es mit Fritzchen geworden? Ist er zu Hause oder bei Tante Finchen?

Tante Fina hat mir in dieser Woche auch noch einmal geschrieben. Ellis Namenstag hatte ich vergessen, ich habe ihr nachträglich gratuliert. Kommst Du nun noch mal. Ich hatte schon gedacht Du würdest zum 1. Advent kommen. Überleg es mal!

Mit den besten Wünschen
grüßt und küßt Dich
Dein Rudolf