Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 30. November 1941

Zu Hause am 1. Adventsonntag 1941

Mein lieber Junge!

Nun ist der erste Adventsonntag fast zu Ende. Es war ein heller, klarer Frosttag, der so recht zum Laufen einlud. Leider hatte ich keine Begleitung und so bin ich nur auf Umwegen zu Oma + Johanna gegangen. Alles ist jetzt mit Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt, und so hat niemand Zeit. Elli hat ihren Josef da, da mochte ich nicht hingehen. Schade, daß Du nicht hier warst, Du wärest mitgegangen, nicht wahr? Aber, ich werde wohl noch einige Male den ersten Advent allein halten müssen, der Krieg ist noch nicht zu Ende. Darum hat mich auch die Nachricht von der Ablehnung Deines Studienurlaubs befremdet. Denkt man nicht daran, wie alt Du wirst. Ich verstehe es nicht, die jungen Dachse werden beurlaubt und die Älteren hält man zurück. Wenn Du im Einsatz wärest, dann könnte ich das verstehen; aber so, ich meine auf einen Mann kommt es nun wirklich nicht an. Rechne mal noch 2 Jahre Krieg, dann bist Du 30, dann 5 Jahre Studium + 2 Lehrjahre, sind 37. Wann kannst Du mal ans Heiraten denken? Ich würde an Deiner Stelle noch mal energisch vorstellig werden. Du hast dem Vaterlande 5 Jahre gedient und was Du lernst ist ja auch Dienst an der Volksgemeinschaft. Wenn man sieht, wie so viele rück-

sichtslos auch im Kriege nur ihren eigenen Vorteil im Auge haben, dann sind wir nur die Dummen. Und Deine Studienzeit mußt Du haben in Deinem Beruf, die kann man nicht verkürzen. Ich habe mir die ganze Woche darüber den Kopf zerbrochen. Andere laufen herum + werden überhaupt nicht Soldat, die haben die besten Chancen im Krieg, die setzen sich in gute Stellungen fest. Du weißt, ich bin kein Materialist, und ich möchte nicht, daß Du nicht Soldat wärest, wo so viele Blut + Leben opfern, aber man könnte Dich doch zu einigen Semester beurlauben. K. Heinz macht im Frühjahr schon das Physikum. –

Für Deinen lieben Brief vom 24.11. vielen Dank. Also die Päckchen für Weihnachten sind unterwegs 3 Stück für Dich. Deine schönen, leckeren Sachen, die mir gut geschmeckt haben und fein waren, bekam ich ja, wie Du schon weißt. Und mein Päckchen mit der Binde + Handsch. hast Du auch. Aber vorher ca. 8 Tage schickte ich ein Päckchen mit einem Buch: „Jon M[..] + die Juristen“ und Süßigkeiten, ist das nicht angekommen. Das wäre aber ärgerlich. Morgen habe ich das Anatomie Buch. Ich schicke es aber nicht, wenn es verloren ginge, Du kannst es Dir mitnehmen. Auch wird es zu schwer sein zum Päckchen.

Mittwoch war ich in Gladbach zum Standesamt betr. d. arischen Abstammung. Da kann ich nichts erreichen. Ich muß jetzt weiter sehen. Dort haben sie 10 Jahrgänge nachgesehen.

Ich freue mich sehr, zu hören, daß es Dir so gut geht. Gott sei Dank dafür.