Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 16. Oktober 1940

Berg.-Gladbach, 16. Okt. 40.

Mein lieber, lieber Junge!

Nun muß ich mich aber schleunigst bedanken für Deine lieben, vielen + herzlichen Briefe. Also am 14. bekam ich Nachmittags Deinen lieben Brief vom 6.X., für den ich ja schon dankte; dann kam am 15.X. des Morgens Dein lieber Brief vom 9.X. + des Nachmittags Deine Zeilen vom 10.X. Du kannst Dir denken, wie ich mich freute. Und dazu noch so viele Aufnahmen. Wird das so Gott will, später ein schönes Album voll werden, Dir zur steten Erinnerung. Also gesundheitlich geht es Dir gut! Ich kann Dir nachfühlen, daß Du seelisch nicht voll befriedigt bist. Ja, unser Leben hat doch einen tieferen Sinn, als nur das Irdische. Es wäre aber auch nicht lebenswert, denn was ist das Leben hier, Arbeit, Mühe + Angst; das heißt, die Arbeit ist ja ein Segen, sie befriedigt den Menschen. – Du wunderst Dich sicher, daß ich in Gladbach bin. Wir, d. h. Oma + ich hoffen einmal gut zu schlafen. 9 Nächte hintereinander war der E. da. Letzte Nacht waren wir 4 x auf. Um 9 ¾ Uhr abends war Alarm bis 11 ¼ Uhr. Wir gingen nach Haus + legten uns hin. Um 12 ¼ Uhr wurden wir durch ordentliche Schießerei wach, hörten die Maschine schon kommen + rannten in unsern Keller. Kaum waren wir unten, fielen schon Bomben. Das dauerte bis 12.40, wir gingen rauf, warteten noch etwas + legten uns hin. Kaum war

ich im Bett, kam schon wieder einer an, es wurde wieder geschossen, wir schon wieder in den Keller. Dann warteten wir bis 2 Uhr früh, und gingen dann zu Bett. Ich war gut am schlafen, da schoß auf einmal wieder die Iddelsfelder Flak, es war schon wieder ein E. da, er kam angebraust. Wir schon wieder raus bis 3 Uhr. Da siehst Du, wie so eine Nacht vergeht! Darum sind wir heute Abend mal mit nach Gladb. gegangen. – Nun zu Deiner Frage, Rudolf, Du weißt, daß ich für mich nicht für einen Fuchs schwärme, ich meine, er paßt nicht zu mir. Aber Tante Elli + Finchen + noch mehr haben Interesse daran. Nur mußt Du sagen, was er kostet. Und ist er zollfrei! Darnach mußt Du Dich erkundigen. Ist das Fell gegerbt? Also bitte Du schreibst mal darüber. Die Beiden sind ja nun neugierig. Ich möchte auch Elli einen Gefallen tuen. Also, sieh mal zu! – Sonst Neues gibt es nicht! Morgen schicke ich Dir nochmals Birnen. Es sind wohl die letzten für dieses Jahr! Nun mein Junge, bleibe zufrieden, wir wollen hoffen + beten, daß diese Zeit vorübergeht, und daß wir gnädig dadurchkommen. Ich vergesse Dich nicht im Gebet! –

Nun herzlichste Grüße und einen festen Kuß
Deine
Dich l. Mutter.