Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 19. Oktober 1940

Berg.-Gladbach, 19. Okt. 40.

Mein lieber, guter Rudolf!

Nun erhielt ich gestern schon wieder einen lieben Brief von Dir und zwar vom 12.X. Ich danke Dir recht, recht herzlich für Dein fleißiges, ausführliches Schreiben. Du verwöhnst mich ja ganz. Ich habe mich aber sehr gefreut, auch die Karten betrachte ich mit großem Interesse, so bekomme ich auch ein Bild von dem schönen Land. Es ist ja sehr herb + einsam. Ich kann mir vorstellen, daß dort der Herbst wunderbar ist! So unberührt ist die Natur. Also Ihr wartet nun auf den Winter? Hier ist seit einigen Tagen sonniges, helles + noch schön warmes Wetter, des Nachts Vollmond, der Himmel so klar + hell, es ist eine Pracht! Allerheiligensommer. Na, Du erlebst ihn ja auch. Ich bin so froh, daß Du zufrieden bist + auch, daß Du so gute Zuversicht hast! Ja, wir wollen hoffen, und den lieben Gott bitten, daß es uns gesund wieder zusammenführt. Mit seiner Hilfe wird es dann auch vorwärts gehen. Nun sind wir schon seit fast acht Tagen jeden Abend zu Fuß nach Gladbach gegangen und des Morgens zu Fuß heim. Um 6 ½ Uhr marschieren wir hier ab + sind um 7 ½ zu Hause. Nächste Woche wollen wir uns eine Wochenkarte nehmen, denn wenn es regnet, kann man nicht gehen, auch

laufen wir zu viel Sohlen durch. Wir schlafen hier viel ruhiger, man hat nicht solche Angst. Auch brauchen wir nicht aus dem Hause, hier ist ein guter Keller. Ja, wir sind ja keine Helden, die Oma + ich. Man ist zu nervös. Gebe Gott, daß bald mit den Fliegern Schluß ist. –

Von hier kann ich Dir nicht viel Neues berichten. Alles ist noch in Ordnung. Denke Dir, der Barthel Mosbach ist gestern gestorben. Nun war er verheiratet, hatte ein Kindchen von 3 Wochen, eine gute Frau, seine Ordnung, nun mußte er sterben. Er war schon lange krank, hatte jetzt einen Rückfall, tuberkulose Hirnhautentzündung. Der arme Kerl. Alle anderen Brüder sind Soldat, 4 Stück. Paul ist auch in Norwegen. Ja, Gottes Wege sind unerforschlich! Nun wünsche ich, daß Du morgen auch einen schönen Tag hast, ich werde an Dich denken. Morgen früh gehe ich nach Hause, ich will Dir einen kleinen Kuchen backen und etwas arbeiten. Also, Rudolf ich wünsche Dir nun weiterhin das Beste, vor allem Gesundheit + rechten Herzensfrieden. Nun Gott befohlen!

Empfange herzliche Grüße + einen innigen Kuß
Deine
treue Mutter.