Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 29. Februar 1940

Köln-Dellbrück, 29. Febr. 1940

Mein lieber, treuer Junge!

Für Deinen lieben Brief vom 22.II. und Deinen lieben Brief vom 25.II., die ich beide gestern erhielt, den einen des Morgens, den andern am Nachmittag, danke ich Dir recht herzlich. Über so viele liebe Worte habe ich mich sehr gefreut! Und wieder lag jedem Brief ein Einmarkschein bei. Auch dafür danke ich Dir, aber ich muß Dich nochmals bitten, das Geld für Dich zu verwenden, oder Dir selbst etwas zu sparen, wenn Ihr mal in eine andere Gegend kommt. Dann bist Du sicher froh, wenn Du etwas auszugeben hast! –

Daß Du gesund bist, daß Du so frohen Mut hast, das gereicht mir zur besonderen Freude. Ja, möge unser Herrgott uns weiterhin beistehen, daß wir alles, was kommt, mit Starkmut ertragen. Glaube mir, Rudolf, ich denke täglich, ja stündlich an Dich, und befehle Dich unserm Herrgott an. Auch ich hoffe zuversichtlich, daß er uns wieder zusammenführt. –

Das gewünschte Bild lege ich bei. Natürlich würde ich mich freuen, auch mal ein Bild von Deiner Marga zu sehen. Ich freue mich, daß Du von ihr Briefe erhältst, die Dir lieb sind. So hast Du doch auch manchmal in dieser schweren Zeit eine Freude. Warum sollte ich denn böse sein? Ich wünsche doch meinem lieben Jungen den treuesten, besten Lebenskameraden, der mit Dir durch dick + dünn geht, und Dich so recht versteht! Das liegt ja noch in weiter Ferne, das wird die Margret ja auch wissen, was Du, wenn Du gesund heimkehrst, noch vor hast! Auch dafür bete ich, daß Gott alles zu Deinem Besten machen

möge. Wir wollen ja auch nur das Gute und das Beste. Auch ich konnte damals, in jungen Jahren, als der Vater im Kriege war, so tief gläubig beten. Und es ist etwas Wunderbares, für einen Menschen, den man liebt, zu beten. Ich hoffe, daß Margret die gleiche Einstellung hat, das ist dann das Herrlichste! –

Über Deine Mitteilung betr. Herrn Kirste bin ich auch sehr erstaunt! Der hat auch Glück! Ich kann mir vorstellen, daß Nottbrocks Augen gemacht haben. Wenn es nun H. Nottbrock auch glücken sollte, wird er froh sein, nun sein eigner Herr zu sein. Ja so ist es im Leben, nun habt ihr drei so schön zusammen gearbeitet und kommt vielleicht nie wieder zusammen. Ich bin nur gespannt, ob man Dich nun als Apotheker rechnet und dementsprechend verwendet! Wir müssen auch da abwarten, so hart es manchmal ist!

Daß Dir der Stollen geschmeckt hat, freut mich. Wenn Du aber so viel teilen mußt, hast Du selbst ja nicht mehr viel davon. Hast Du das Päckchen von T. Stina nicht erhalten. Morgen oder Samstag backe ich noch mal etwas. Na, nun hast Du ja viele Briefe auf einmal bekommen. Das ist ja nicht so schön, als wenn sie hintereinander kommen. Wie es scheint, hast du ja ganz nette Stubenkameraden! Viele aus Köln. Das ist fein. –

Hier ist nun mildes Wetter. Die Tulpen schauen schon mit frischen Spitzen aus der Erde, Schneeglöckchen sind bald da. Trotz Frost + Eis + Schnee, der Frühling kommt doch! Aber so recht Freude kommt doch nicht auf. Die Zeit ist ja ernst! Mir geht es, Gottlob gesundheitlich gut! Wie ich Dir schon schrieb, ist die Arbeit zu bewältigen. 20-25 Mark habe ich pro Woche. Es ist Stoffmangel. Aber schaden tut es mir nicht. Ich habe ja auch etwas Arbeit mit der Einquartierung. Seit Sonntag ist

Herr Lischewski wieder zurück. Abends ist er immer zu Hause, sehr solide. Bei Jansens ist ein Sattler im Quartier. Ich will mir das Chaiselongue aufarbeiten lassen. Roßhaar bekomme ich aus dem alten Sofa + den Sesseln. Dann brauche ich nur einen neuen Bezug. Ich habe schon eingereicht für Stoff. Dann haben wir wieder ein schönes Teil. Dazu verwende ich Dein Geld mit. Dann spare ich für etwas Anderes. Der Gasherd ist nun zur Hälfte auch bezahlt. Es geht doch schneller. Ob wir es auch mal schön bekommen? Was haben wir schon alles für Pläne gemacht! Und hatten so viel Vorfreude dabei. Das Bild ist noch nicht abgeholt. Kommende Woche werde ich Herrn Schmidtke das Bild kaufen + abschicken nach Hause. Er war mir bis jetzt der angenehmste Gast! In der Familie gibt es sonst nichts Neues. Gestern war Heinrich noch mal hier. Der hat es auch gut! Nun, wir wollen trotz Allem zufrieden sein + Gottvertrauen haben. Morgen ist Herz-Jesu-Freitag, da denke ich besonders an Dich, mein Junge.

Nun bleib‘ gesund + zufrieden und empfange viele liebe Grüße + einen Kuß von
Deiner Mutter.

Gruß von Deiner Hanni.
Komm bald wieder.