Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 15. Oktober 1942

O.-U. den 15.10.42

Mein liebes Mütterlein!

Heute erhielt ich Deinen lb. Brief und das herrliche Obstpäckchen mit Birnen und den Eiern. Dafür erhalte meinen besten Dank. Liebes Mütterlein, ich bitte Dich schicke mir keine Eier oder sonst etwas, was Du Dir abziehst, das kann ich nicht annehmen. Im Urlaub und auch jetzt sehe ich die Lebensmittelzuteilungen der Heimat, was Du bekommst brauchst Du selbst um nicht krank zu werden und überhaupt arbeiten zu können. Ich denke, Du verstehst meine Bitte und bist mir darum nicht böse. Ich habe mich riesig über Deinen Zeilen gefreut, die ich schon sehnlichst erwartet hatte. Auch freue ich mich auf die Uniform, die hoffentlich paßt, weil wir, das gesamte Offz. Korps der Division gemeinsame Tischzeiten haben. Du sagst also, daß sie gut gearbeitet ist. –

Du stellst in Deinem Brief eine Reihe Fragen, die ich nun beantworten will. Ich bin bei der gleichen Waffe geblieben, habe mich nur bereits wieder einmal verändert und bin zur Stabsbattr. versetzt worden. Die Neuaufstellung bringt viel Arbeit, denn täglich rollt neues Material an. Die Ersatzmannschaften sind noch nicht eingetroffen! Von Norwegen ist der Abschied nicht ganz leicht gefallen. Allen, Siv, Gerd und ihrer Mutter habe ich natürlich von Oslo aus geschrieben und Abschied genommen.

Die haben bestimmt Augen gemacht. Die Skier, die elektrische Heizplatte und sonstige Sachen mußte ich leider der Eile wegen verkaufen, ich konnte sie unmöglich mitnehmen.

Die Offiziere des neuen Regimentes sind alle Reservisten. Es ist ein netter, wirklich gebildeter Kreis, der sich gleich in den ersten Tagen verstand und nun schon zusammengehörig fühlt. Unser Rgt’s Kommandeur ist selbstverständlich aktiv, er kommt direkt aus dem Osten.

Auch sind hier einige alte Rgt’s Kameraden. Obltn. Blank, Matthias, Weber, Götze, Rüberg. Einige Namen hast Du sicher schon gehört. Die Verpflegung ist nicht schlecht, doch etwas knapp, wir müssen da eben umlernen, in Norge war sie besser. Die Stuben der Leutnantshäuser sind schmucklos und bis zum 19. d. M. kalt, erst dann darf geheizt werden. Fliegeralarm hatten wir bis jetzt zweimal! Im Lager gibt es ein großes, modernes Kino, das fleißig besucht wird.

Ich denke nun doch Ende kommender Woche in Urlaub zu kommen. Es gibt Wochenendurlaub, d. h. Urlaub von Freitag Mittag bis Montag zum Dienst. Ich kann dann Samstag zu Hause sein und muß am Sonntag Abend wieder fahren.

Heute haben wir die neue Feldpostnummer erhalten „47729 A“.

Ich muß zum Essen, gleich geht’s weiter.

Immer noch ist das Wetter unfreundlich und naßkalt, auf den Stuben kann man sich kaum aufhalten, ohne Heizung ist es dort zu kalt. Wir sind froh abends für 2 Stunden im warmen Kino sitzen zu können, das ist das einzige geheizte Gebäude des Lagers. Wir freuen uns auf den 19. dann darf geheizt werden, jedoch wird schon jetzt auf größte Sparsamkeit hingewiesen.

Ich holte heute im Krümperwagen den neuen Abtlg’s Kommandeur ab. Er ist mir sympathisch besonders weil er von Köln sprach, seiner frohen Jugend und vom Pennal in der Kreuzgasse, er ist Mecklenburger. Dr. Kadow der alte Kommandeur ist ein guter Bekannter von ihm.

Nun komme ich zu einer ernsten Frage und bitte Dich um Deine Meinung. Wie ich schon schrieb, kommen wir nicht zum Einsatz, daraufhin setze ich Alles in Bewegung um zum Studium zu kommen. Ich bin beim Divisions Arzt, Herrn Oberarzt Dr. Cupieu vorstellig geworden. Er hat mir geraten an ihn ein Gesuch um Aufnahme an die militärische Akademie Berlin zu richten. Das Gesuch ist geschrieben, ich bitte Dich um

Stellungnahme. Also, - ich muß dann aktiver Sanitätsoffizier werden! Sollte das Gesuch durchgehen ist es jedenfalls eine Ausnahme, denn ich habe das Höchstalter zur Aktivierung bereits überschritten. Versteh‘ mich recht, ich bin zu alt um auf Staatskosten auf der Akademie das Studium zu beginnen. Doch glaubte Herr Dr. Cupieu, daß man eine Ausnahme machen würden, 1.) weil ich schon solange Soldat bin, 2.) weil ich Vorkenntnisse habe, 3.) weil San.Offz. gesucht würden. Vorteile dieses Schrittes wären, Studium schon im Kriege, ohne Kosten und andere Sorgen. Nachteile eine lange Verpflichtung. Wenn ich aber bedenke, daß der Staat auch über die Zivilärzte nach Kriegsende unumschränkt bestimmen wird, ist letzters doch nicht so schlimm. Ob ich nun als Zivilarzt oder in Uniform einige im Osten zubringen muß! Das Verdienst ist Dir ja bekannt, der Sold ist immer derjenige einer höheren Rangdienststellung der Offiziere. Ich bin gespannt wie Du darüber denktst? Ich bitte, schreib‘ mir bald, damit ich weitere Schritte unternehmen kann.

Ich schließe nun mit vielem Dank für das feine Päckchen.

Gruß und Kuß
sendet Dir Dein Junge.