Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 17. November 1935

Sonntag, den 17. Nov. 1935.

Mein lieber, guter Junge!

Nun nehme ich mir einmal ein Stündchen, um in Ruhe mit Dir zu erzählen. Heute habe ich nur einige Stunden gearbeitet, und nun will ich etwas ausruhen. Ich habe jetzt für die neue Woche 70 Dtzd. gearbeitet. Was sagst Du dazu. Das könnte ich allerdings nicht viele Wochen lang aushalten. Du siehst also, daß ich wirklich keine Zeit zum Schreiben hatte. –

Nun zu Deinen lieben Briefen, die mich jedes Mal so sehr erfreuen. Ich bin stolz auf Dich, mein Junge, daß Du nicht klagst und tapfer durchhältst! So habe ich es gern, und ich bin stolz, wenn Du ein ganzer Mann wirst! Daß wir hier durch die Zeitungen von Eurem Leben + Eurer Arbeit erfahren, hast Du ja in dem Zeitungsabschnitt, den ich im Paket mitschickte, ersehen. Ja, die Kölner interessieren sich für ihre Rekruten. Und jede Mutter wohl ganz besonders für ihren eignen Rekruten! So auch ich. Alles was Dich angeht, darüber höre ich gern. Aus allen Deinen Briefen sehe ich, daß Du zufrieden bist. Und das ist die beste Voraussetzung für treue Pflichterfüllung. Halte Deinen Wahlspruch aufrecht, so wird es Dir im Leben immer gut gehen. Übrigens hatte H. Kpl. Schneider vergangenen Sonntag über diesen Spruch seine Sonntagspredigt. Ich soll Dich von ihm grüßen. Er erkundigte sich nach Deinem Ergehen! Daß Du für Vater + mich betest, ist lieb von Dir. Auch ich vergesse Dich nicht. Morgens + abends segne ich Dich + Vater im Namen der heiligsten Dreifaltigkeit. Ihr seid mein erster + letzter

Gedanke, auch trotz der vielen Arbeit. Solange Du fort bist, habe ich jeden Sonntag 2 hlg. Messen gehört, die Eine für Dich. Daß Du auch an Deinen künftigen Beruf denkst, freut mich zu hören. Bei dem neuen Apotheker schnitt ich das Thema an. Er meint, die Aussichten würden besser. Wenn das Geschäft klappt, will er auch einen Antrag stellen, daß er eine Lehrapotheke bekommt. Er erkundigte sich eingehend nach Dir! Wir wollen unsere Zukunft der Führung Gottes überlassen, dann wird es uns gut gehen! – Ja mein Kind nun sind schon fast drei Wochen um. Hoffentlich hast Du gestern das Paket bekommen, und hast heute ein bischen sch[..]ützen können? Ich freue mich, und bin sehr beruhigt, daß Ihr gutes Essen bekommt. Auch ist es eine Beruhigung, daß ich Dich warm versorgt weiß in Kleidung + guter Unterkunft. Warum hast Du den alten Ully nicht mehr? Was macht das Reiten. Ich glaube, das muß einem liegen. Fällt es Dir leicht? Ich meine, hast Du Veranlagung zum guten Reiten. Es muß doch ein schönes Gefühl sein, auf solch einem Tier zu sitzen. Sei nur vorsichtig, damit Du nicht unglücklich stürzt. Daß Dir der Arbeitsdienst eine gute Vorschule war, kann ich mir vorstellen. Übrigens der Abiturient aus Thielenbruch, weißt Du der mit Hans Schuchard in Kalk war, war heute früh in Arbeitsdienstuniform in der Kirche. Nummer 8/215. Wenn ich ihn noch mal sehe spreche ich ihn an. Ist dann wohl in Bergheim? Daß Ihr die Wäsche gewaschen + geflickt bekommt, ist schön. –

Also darf ich mich auf Weihnachten auf ein Wiedersehn freuen. Oder Neujahr? Das wäre ja zu schön! Die sieben Tage würde ich mir zum Sommer verwahren. Na, das überlegen wir mal, wenn Du kommst. Noch 5 Wochen, dann ist das schönste aller Feste da. Hoffentlich, wenn Gott will, feiern wir es in Gesundheit

+ Zufriedenheit. –

Also, der Heinrich, Schmitz Köber, Paul Kurth u. a. haben den Ersatzreserveschein bekommen. Im Laufe von 3 Jahren können sie bei Bedarf zum einjährigen Wehrdienst einberufen werden. Andernfalls müssen sie jedes Jahr ein Übung machen. H. war ein bischen deprimiert! Bei Oma + auch bei allen Andern ist alles beim Alten. Von Tante Finchen soll ich bes. grüßen. Onkel Georg wird arbeitslos, die Metzgerei geht ein! –

Ja Rudolf, nun möchte ich allerlei anschaffen. Ich bin mir nur noch nicht im Klaren darüber, erst für’s Haus, oder für mich. Beides wäre nötig. Schuhe habe ich mir vorige Woche gekauft, auch Strümpfe. Ich glaube doch, daß ich erst Mantelstoff hole. Vor Weihnachten bekomme ich ihn ja nicht mehr angefertigt; aber wenn ich den Stoff schon habe. 15. Mk pro Meter muß ich anlegen. Er hält ja dann auch lange. T. Finchen habe ich das Geld zurückgegeben, auch bei Keppels alles erledigt! Man hat doch schneller alles ausgegeben, als man es verdient. Zum Zahnarzt bin ich noch nicht gekommen. So bald die Arbeit nachläßt, gehe ich hin. Ich gehe wieder zu Oma essen, da bin ich versorgt. – Sonst geht es mir gut, nur etwas überarbeitet. Heute gehe ich früh schlafen. Morgen geht’s mit frischem Mut wieder ran an die Arbeit! Hoffentlich trifft Dich dieser Brief gesund + froh an. Alles Gute wünsche ich Dir und sende Dir viele herzliche + liebe Grüße, mein Junge, und einen
festen Kuß
Deine
Dichliebende Mutter.