Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 5. September 1935

Bergheim, den 5.IX.1935

Liebe Mutter!

Du hast sicher schon lange auf diesen Brief gewartet. Endlich habe ich Zeit Deinem Wunsch Folge zu leisten. Ich habe Wache! Posten schieben ist jetzt tatsächlich eine Vergünstigung. Die Drainage strengt doch mächtig an. Jede freie Minute wird geschlafen. An der Baustelle bekommen wir 7 bis 9 Meter abgemessen. 2.50, 2.25, 2.20, 2.10 Tiefe. Das ist manche Schaufel und mancher Spaten. Am Feierabend ist man ausgepumpt. Die körperliche Arbeit tut mir aber gut. Ich fühle mich sehr wohl. Die Füße sind ganz in Ordnung da wir mit dem Rad fahren.

Es geht noch mal richtig rund. Die armen Kerle aus Branderheide werden hochgenommen. Sie sind es aber selbst schuld.

Gestern Abend wurde näheres über Nürnberg mitgeteilt. Endgültig fahren 19 Mann mit. Freitag nach Mittag fahren sie nach Jülich, von dort sofort nach Nürnberg. Freitag in 8 Tagen kommen sie zurück. Wer nun mit geht steht noch nicht fest. Wer jetzt im Bettenbau, Stubendienst oder Tischdienst auffällt wird zurückgesetzt. Ich habe also doch noch Aussicht mitzukommen. Nun zur Geldfrage! Es ist zu spät um mir etwas schicken zu lassen. Es macht aber auch nichts. Ich komme auch ohne Geld

aus. Mach Dir um Gotteswillen keine Kopfschmerzen. Ich bin bestimmt nicht traurig. Also nachschicken hat keinen Zweck. Nach Jülich dürfen wir uns nichts schicken lassen. Wenn ich nicht mitkomme komme ich doch nicht nach Hause. Wir haben Sonntag Dienst. Gedulde Dich es dauert nicht mehr lange. Die Höchstzahl ist 20 Tage. Dann sind wir wieder für eine Zeit zusammen.

Kamerad Manderfeld kommt vielleicht mal im Oktober nach Köln. Dann hatten wir vor ins Museum zu gehen und abends die Oper zu besuchen, Du hast doch nichts dagegen? Er ist noch nie in der Oper gewesen.

Jetzt will der Egoist doch endlich mal aufhören. Wie geht es Dir? Bist Du auch noch gesund. Schläfst Du auch Deine Zeit? Gehst Du noch zur Oma zum Essen? Wie steht es mit der Arbeit? Überarbeite Dich nur ja nicht? Ich freue mich auf unser Zusammensein. Gelt, wir machen manche Fahrt und manchen Spaziergang. (in’s Bergische, an den Rhein, Bonn, Hardt u. Thielenbruch)

Übrigens hast Du noch mal jemand aus der Gemarkenstraße gesehen? Seit dem letzten Urlaub denke ich viel an Sie? Ich hatte Sie doch noch nicht vergessen.

Nun zum vorigen Sonntag.
Ich bin Samstag im Kino gewesen. Sonntag im Strandbad. Abends habe ich mit Manderfeld einen

Spaziergang gemacht.

Warst Du weg? Hat es Dir gefallen. So schön wie in Fortuna wird es ja wohl nicht gewesen sein. Ich meine es war etwas ganz anderes. Es ging mehr ans Herz, war etwas für Verstand, Seele und doch auch Herz, kurz für den inneren Menschen.

Kevelaer ist mehr für’s Auge. Das soll aber keineswegs ein Abstrich sein.

Wenn ich nach Haus komme denke ich helfe ich Dir fleißig, ich kann Dir wieder vorlesen.

Erdkunde, Biologie, Schmeil’s Pflanzenkunde werde ich studieren. Vielleicht fange ich mit einem Herbarium an. Ich denke noch viel an die Berufswahl. Es scheint mir doch das Beste.

Es ist ja eine Zumutung Dir gegenüber. Na vielleicht bekommen wir noch unerwartete Hilfe. Wir wollen den lieben Gott walten lassen.

Nun will ich schließen. Viele Grüße an alle Lieben.
Einen herzhaften Kuß.
Dein Junge.

Was sagst Du zur deutschen Schrift.
Hab wieder eine ganze Reihe Bilder, auch von mir allein.