Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 30. November 1942

O.-U. den 30.XI.42

Meine liebe Mutter!

Der graue und dunkle November geht zu Ende, mir gehen in den Mond, der uns das Licht bringen wird. Schönste Zeit im Jahr! Wieviele liebe Erinnerungen an Kindertag werden jetzt wach. Bevor die Leute heute die hellen Stubenfenster verdunkelten habe ich hier und dort hineingesehen. Der Vater saß mit Pfeife und Zeitung hinter dem Ofen, die Mütter und Frauen hatten ihr Täßchen Kaffee vor sich stehen, und allenthalben sah ich spielende Kinder, die hier sehr zahlreich sind, gibt es doch mehrere Familien mit 20 Kindern am Ort. Ein schönes friedliches Bild war das, es konnte den Krieg vergessen machen. Weiß Du noch, wenn plötzlich das Fenster aufgestoßen wurde und Nüsse, Äpfel und andere Leckereien hereinflogen? Weißt Du noch wie Recka dann sprang und glaubte der Segen wäre für ihn? All diese Kinderfreuden verdanke ich Dir und hoffentlich kann ich Dir dies mal in etwa gut machen.

Lange habe ich nichts mehr von Dir gehört und darum warte ich heute Abend, an einem trüben und regnerischen Sonntag besonders auf einige liebe Zeilen. Wie geht es Dir? Wie weit ist es nun mit Deiner Zahngeschichte? Klappt es noch vor Weihnachten? Hast Du nun schon meine Päckchen bekommen? Wie geht es unserer Oma und Heinrich? Die Kleinen und auch Fritzchen werden sich schon auf das Fest freuen. Hier beschenkt man sich zu Nikolaus und nicht zu Weihnachten. – Ich bin immer noch nicht zu de Wiels gekommen, denke aber in dieser Woche sie zu besuchen,

durch einen Ufa-Lehrgang und eine Eignungsprüfung für Hauptwachtmeister war ich daran verhindert.

Mir geht es ausgezeichnet, noch bin ich gesund und sehe wieder hoffnungsvoll in die Zukunft. Wer weiß warum es so kommen sollte. Man darf nie vergessen, daß der Herrgott nur das Beste will. Ich bin so zufrieden. Habt Ihr etwas von August Acher gehört? Die Mutter, die Ärmste ist zu bedauern. August war ein feiner, gerade und froher Kerl, der im Kameradenkreis gern gesehen war. Hoffentlich kommt er wieder!

Die heftigen russischen Angriffe sind nun auch zum Stehen gekommen, die Amerikaner kommen nicht voran, es hat sich Alles geklärt. Wir hoffen und glauben auf und an den Sieg.

Mit guten Wünschen grüßt Dich mit festem Kuß
Dein
großer Junge.