Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 17. November 1935

Iserlohn, den 17.XI.1935

Liebe Mutter!

Wiederum einen schönen Sonntagsgruß! Schade – dieser Gruß erreicht Dich nie des Sonntags! Ich kann aber nur an diesem Tag schreiben. Du mußt den Gruß also schon für den kommenden Sonntag nehmen. Wir sind heute wiederum ausgeführt worden. Die größte Freude aber war mir heute der gemeinsame Kirchgang. Es war eine Militärmesse mit eigener Predigt. Die ganze Kirche war mit Uniformen besetzt. Nach dem deutschen Hochamt wo nur „Dominus vobiscum“, usw lateinisch gesungenwurde sah ich auch unseren Hauptmann mit Familie vor der Kirche. Infanterie und Bumsköpfe alles war da. So etwas hatte Iserlohn noch nicht gesehen. Der Pfarrer bat uns das Militärgesangsbuch anzuschaffen.

Sonntag gehen wir vielleicht schon alleine aus. Das heißt, nur der der grüßen kann kommt aus dem Bau. Meinen besten Dank für Dein schönes Paket. Du hättest Dich doch nicht so in Unkosten stürzen sollen. Du kennst ja meinen Gaumen fast besser als ich selbst. Feigen, Äpfel, Printen, Heringe, prima, prima. Habe mir schon eben den Bauch vollgeschlagen. Gestern mittag erhielt ich den Postabschnitt, erst heute nach dem guten Mittagessen konnte ich mir das Paket beim U.V.D. abholen.

Nochmals besten Dank für das schöne Paket. Habe mich riesig gefreut! Werde Dir zu Weihnachten auch eine Freude machen! Bin jetzt schon sparsam! Will etwas ganz Besonderes kaufen.

Nochmals besten Dank. Spreche meinen Dank auch für die Printen usw. bei Tante Stina aus. Mich hat es sehr gefreut. Ich sehe doch, Ihr denkt an mich. Sei aber versichert, ich vergeß Dich nicht! Habe einem Kameraden die Tinte geliehen. Er muß etwas Offizielles schreiben. Du bist immer bei mir, das fühle ich. Unsere Herzen sind durch geheimnisvolle Fäden auch über die Entfernung Iserlohn-Köln verbunden. Auch ich denke morgens, mittags u. abends an Dich. Ich seh Dich bei der Arbeit, mit dem Koffer in der Stadt in Hast und Eile und trotzdem mit wachem Auge. Siehst Du noch immer alles? Ist keine Ironie! Ich freue mich, daß ich so eine aufgeschlossene Mutter habe, die sich für alles interessiert. Ich sehe Dich abends beim Mübchen. Was macht die Kleine noch? Wie geht es bei Oma, Heinrich, Nußbaum’s, Schlößers usw.? Wenn die Arbeit wieder etwas nachläßt schreibst Du mir doch alles genau? Ich habe vollständig Verständnis dafür, daß Du jetzt nicht mehr schreibst! Und nochmals ermahne ich Dich, überarbeite Dich nicht, denk nicht nur an’s Geld, an’s Anschaffen sorge auch für Deinen Geist und Deinen Körper. Zu ihrer Pflege gehört aber auch Freizeit. Mit dem Anschaffen hat es doch noch Weile. Wenn ich zurück komme schaffen wir beide

zusammen. Bleibe mir gesund. Mach Dich nett. Denke an Dich. Ich bin gut versorgt. Der Dienst ist hart. Jeden morgen um 5, 2 bis 3 mal 4.30 Aufstehen. 4-5 St. Stalldienst, Reiten usw. Habe jetzt einen Wolf. Ist unangenehm. Hoffentlich ist es bald fort. Habe am Freitag Stallwache gehabt. Von Donnerstag 19 Uhr bis Freitag 19.30. Ist aber doch noch angenehmer wie Kasernenwache. Im Stall ist es doch noch immer wärmer. 15° muß er sein. Man hat darauf zu achten, daß kein Dung im Ständer liegt, kein Pferd los ist, Temperatur die gleiche bleibt. Man schläft im Stall. Mittwoch ist ja noch mal ein Feiertag. Ist die Woche kürzer. Im übrigen danke ich für die Zeitung. Zur Erklärung. Der Hauptmann ist unser Batteriechef Hauptm. Schlutius. Der Gefreite der das Geschütz erklärt ist mein Stubenältester Gefr. Kothe. Dan hast Du ja auch meinen Ully gesehen, und dann sahst Du auch Prinz, (Eigentum des Hauptmanns). Ist jetzt krank. Ist von der Bevölkerung am Sonntag bei der Kasernenbesichtigung überfüttert worden. Jetzt ein Vorschlag!

Die Barbara wird hier gefeiert. Wird feierlich unsere Kaserne beziehen. Die Unteroffiziere haben Fest. Reiten, Springen, Übungen am Geschütz. Unser Spieß hat Geburtstag!!! Zum letzten mal

Gestern waren wir im Kino! Parteitag, Peterson u. Bendel (Schwedenfilm spielte in Stockholm) und einen russischen Film sahen wir!

ist Gelegenheit gegeben die gesamte Kaserne zu besichtigen. Wenn Du kommen könntest, würdest doch sicher Reisebegleitung bekommen.

Du könntest dann meinen neuen Schaffensbereich sehen, Ställe, Geschützschuppen usw.

Wie war denn der Martinszug. Onkel Arnold schrieb davon. Manchesmal haben wir ihn gesehen. Weißt Du noch, wie Du mir die Fackel gemacht hast, (mit dem Locher) Feuer auf dem Hohen Stein. Wie die Jahre vergehen. Nächstes Jahr, so Gott will, bin ich wieder da. Dann sehen wir uns aber den bunten, frohen Zug an.

Was machen Bartz denn noch? Grüße Sie recht herzlich. Habe heute Abend Stubendienst. Muß gleich mit der Arbeit anfangen. Muß noch bohnern. Jeden Sonntag müssen wir den Drillichanzug waschen. Wir haben immer Beschäftigung!

Nochmals alles Gute! Bleibe mir gesund, zufrieden und froh! Überarbeite Dich nicht!

(Heute haben wir Karabiner u. Seitengewehr erhalten). Jetzt sind wir bald vollständig ausgerüstet. Der Spind ist pickepacke voll)

Laß die Maschine mal kalt werden.

Grüß alle von mir. Besonders Oma und ihre Lieben. T. Stina, O. Arnold, Berta, T. Mal, T. Marie, T. Anna, Bartz, Steinmetz usw.

Sei Du aber ganz, ganz herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem großen, alten Lümmel, der Dich so manchmal ärgerte im großen ganzen es aber immer gut mit Dir meinte und noch heute meint [….]