Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 9. Juli 1943

Köln-Dellbrück, 9. Juli 43

Mein lieber, lieber Junge!

Also, ich bin noch gesund + heil, auch unsere Wohnung. Dem Herrn sei Dank! In Dellbrück ist nichts passiert. Es kommt wohl immer näher. Mülheim, die Ecke wo Nottbrock’s wohnen, Emberg, Haus Hahn Dünnwald. Die Nacht war schrecklich. Gestern kam Johanna aus Dresden, heute ist sie mit den Kindern + Oma wieder abgereist. Ich war grade bei T. Fine, als Elli + Oma kamen. Es ist uns allen sehr hart. Ob man sich noch mal wiedersieht? Tante Stina geht nach Gladbach schlafen. Ich war auch eine Nacht dort, aber es ist mir noch zu beschwerlich! So ganz in Ordnung bin ich noch nicht. Und immer diese Aufregungen. Jede Nacht Alarm, alle 4-5 Tage Angriff auf Köln. Du glaubst nicht, was hier los ist des Abends. Die reine Völkerwanderung, alles flüchtet aus Köln. In den Wäldern kampieren die Leute, bis weit in die Berge hinein fahren sie. Ich möchte auch wohl fort. Ich habe 2 Ordensschwestern aus dem Mülheimer Krankenhaus im Quartier, nur zum schlafen. Aber wohin soll man? Es ist furchtbar! Was man alles hörte! Ich war ja noch nicht in Köln. Unsere Bahnen fahren ja nur bis Mülheim Keupstr. Jetzt hat man des Abends richtig Angst vor der Nacht! Eben höre ich, daß auch in Köln vom Opernhaus aus bis nach Nippes viel zerstört ist. Hochhaus, Opernhaus, Agneskirche, Reichenspergerplatz u.s.w. Kannst Du nicht mal bald kommen? Ich bekomme gar keine Post von Dir. Ich bin beunruhigt! Wie geht es Dir? Hoffentlich höre ich bald etwas! Viele liebe Grüße + Küsse
Deine
Dich l. Mutter.