Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 8. Juni 1942

Köln-Dellbrück, 8.6.42

Mein lieber Rudolf!

Herzlichen Dank für Deine beiden lieben Briefe vom 30. + 31.5. Wie sehr habe ich mich über Deine lieben Worte gefreut. Wie froh bin ich, daß wir uns noch schreiben können. Auch für das Bildchen danke ich Dir. Da siehst Du aber schmal + spitz aus. Bekommst Du auch die schlanke Linie, wie wir hier. Ja Rudolf, wir wissen garnicht wie reich wir gewesen sind trotz aller Sorgen, nur deshalb, weil wir uns so gut verstanden haben + hoffentlich das auch noch tun, wenn Du wieder hier bist! Auch ich freue mich schon auf Deinen Urlaub!!! Gebe Gott, daß es nicht allzu lange mehr dauert. Ja, dann wollen wir wandern, dann habe ich den rechten, der mit mir wandert. Elli hat keine rechte Lust daran wie es scheint in diesem Sommer. Sie geht ins Strandbad u.s.w. Und immer mit Agnes das ist nichts. Ich müßte Jemand in meinem Alter haben. – Also Du warst auch erstaunt, daß Vater hier war, kann ich mir denken. Ich bin aber froh, daß ich ihn nicht gesehen habe, ich habe mich so genug aufgeregt! Es ist doch eigenartig. Ich schrieb Dir ja, daß er so gut ausgesehen habe. Ja Rudolf, wie Gott es will, so ist es für uns das Beste! Wir wollen weiter beten + arbeiten. Über den Luftangriff schrieb‘ ich Dir ja schon ausführlich.

In meinen Ferien gehe ich fleißig spazieren, viel mit dem kleinen Fritz. Im Thielenbruch wird gefällt, da

bringe ich mir immer etwas Holz mit im Wagen von Männchen. Es ist ein liebes Kind, so klug. Ich habe rechte Freude mit ihm. – Heinrich schrieb mir auch. Er ist auf dem Rücktransport. Ich bin mal gespannt, was er hat + wo er hin kommt! Oma ist so froh, daß er aus dem Kampf ist! Ich lege Dir einen Totenzettel bei. Der Junge war auch noch jung. Ja, einer nach dem andern. Sein kleines Mädchen war auch in der Kirche! Du warst wieder in G.? Ist das nicht gefährlich, wenn Du so allein herumfährst? Wie ist da die Stimmung? Hast Du die Impfperiode gut überstanden? Und einen Garten habt Ihr auch? Wächst denn alles auf dem kargen Boden? – Ja Rudolf, ich hatte ja schon mal gedacht, wenn Du in Urlaub wärest, und Du wärst von der Fahrerei nicht zu müde, dann wären wir mal nach Bornheim gefahren. Dann hättest Du das mal kennen gelernt? Ich würde alles noch mal gerne wiedersehen! Es ließe sich mal überlegen. Morgen will ich zum Zahnarzt! Hoffentlich klappt es bald mit dem Ersatz. Es dauert alles so lange jetzt! Ich mache Dir nochmal ein paar Päckchen mit Nüssen fertig. Ich kann ja keine beißen. Und nun Schluß. Gestern war ich in Gladbach. Oma hat da gekocht, alle andern waren nach Herrenstrunden. Um 4 Uhr kamen sie zurück. Um 5 Uhr bin ich nach Haus gefahren, da wurde es trübe + regnerisch!

Nun empfange viele liebe, treue Grüße + einen Kuß von
Deiner Mutter.