Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 18. Februar 1940

Köln-Dellbrück, 18.2.40

Mein lieber, großer Junge!

Es ist Sonntag-Abend. Alles ist still + ruhig! Da will ich mit Dir, mein Junge noch ein wenig plaudern, und Die erzählen, wie ich den heutigen Tag verlebt habe. Es war übrigens ein sehr schöner Tag, kalt, aber sonnig + windstill! Also um ½ 6 Uhr stand ich auf, ging um 6 Uhr zur ersten hlg. Messe. Darnach ging ich zur Oma, die allein war, (Elli ist nach Wiesbaden) und holte sie zum Kaffee. Ich hatte noch ein Stückchen Stollen + etwas Bohnenkaffee. Dann tranken wir gemütlich Kaffee, Oma blieb bis neun Uhr. Dann nähte ich, um ½ 11 Uhr kam Berta. Wir sprachen über ihre Zukunft. Ich muß sagen, sie hat viel Courage. Sie rechnet damit, nicht mehr zu Hause bleiben zu können, will sich selbst ein Heim gründen + für das Kind arbeiten gehen. Sie wollte ein Kind. Sie nimmt alles selbst in die Hand. Ich wünsche ihr alles Gute! – Um 11 Uhr ging ich für Dich in die hlg. Messe. Dann zum Essen. Der Onkel hat seit ein paar Tagen schlechte Laune, na, Du weißt ja, wie das ist. Ich habe mich nicht lange aufgehalten, ging wieder nach Hause. Die Sonne lockte mich aber bald wieder hinaus. Ich ging zur Oma und dann mit ihr + Hanni nach Iddelsfeld. Dort war ich seit Weihnachten nicht mehr. Wir machten einen Umweg durch die Hardt, Mielenforst, es war herrlich. Der Schnee, soviel Schnee, die Sonne, die schon schön warm schien. Viele Menschen unterwegs, auch manche Schneeschuhläufer. Dann gingen wir nach Hause, um 5 Uhr zur Fastenpredigt, die wieder gut war.

Nachher nähte ich noch ein paar Stunden. Dann war Schluß. Nun schreibe ich noch, und dann, es wird bald 11 Uhr sein, geht’s ins Bett. Des Abends vermisse ich Dich immer am meisten. Dann ist es so still, ich bin allein, und dann ist es mir oft schwer. – Nun erhielt ich heute Deinen lb. Brief vom 14.2. Ich denke, daß Du aber inzwischen Post bekommen hast, ich habe doch regelmäßig geschrieben. Im Brief waren 5 Rmk. Mein Kind, nun bitte ich Dich aber ernstlich, laß das. Verbrauche das Geld für Dich! Ich bat Dich ja schon darum. Wenn Ihr mal in eine Stadt kommt, dann hast Du etwas. Also, schönen Dank, aber nun ist’s genug! Den einen Wunsch des Briefes habe ich ja erfüllt, ich schrieb Dir von meinem Tagewerk, wie ich den Tag verlebe. Von Berta schrieb ich ja bereits. Am meisten freute ich mich, zu lesen, daß Du so treu an mich denkst. Es ist aber auch ein schönes Gefühl, das zu wissen, und ich bin dankbar dafür. Aber auch Du bist nicht vergessen. Auch meine Gedanken wandern so oft zu Dir, besonders jetzt, in der Kälte. Es ist zu schön, ich danke Gott dafür, daß wir uns so verstehen. Wie ist es, hat Margret auch geschrieben. Mein Kind, hoffentlich wirst Du nicht enttäuscht, das täte mir zu leid. Ich wünsche Dir nur das Allerbeste!!! Es ist schade, daß Du nun wieder so eine eintönige Umgebung hast, aber mit Euren Pferden könnt Ihr ja nicht in die Stadt. Aber doch in die Nähe! Hier die bei uns haben’s schön, Köln in der Nähe! – Auch hier ist es noch sehr kalt. Diese Nacht wird es wieder ordentlich frieren. Solch‘ einen Winter, so streng+ so anhaltend, haben alle Leute lange nicht erlebt! Die Frühjahrsbestellung müßte in vollem Gange sein. Aber, wie Gott es macht, ist es gut, wir wollen ihm alles überlassen und nicht nörgeln. Er regiert die Welt nach seinem Willen. – Du schreibst da von Deinen Quartiergebern. Wer weiß, vielleicht lernen wir den Osten auch mal kennen.

So, nun mache ich Schluß. Bleibe mir gesund + munter, hab guten Mut weiterhin! Von ganzem Herzen grüßt + küsst Dich
Deine alte Mutter.