Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 11. Juli 1943

Köln-Dellbrück, 11.7.43

Mein lieber lieber Junge!

Endlich erhielt ich heute nach langer Zeit einen lieben Brief von Dir, und zwar vom 8.7. Gott sei Dank, daß es Dir gut geht. Ich war schon in Sorge, aber, alle bekamen keine Post. Ob alles verloren gegangen ist, ich weiß es nicht. Bei diesem großen Durcheinander, das nicht zu beschreiben ist, ist das sehr gut möglich. Ich habe regelmäßig geschrieben, bes. sofort nach jedem Angriff! Hoffentlich kommt nun dieser Brief bald in Deine Hände. Also wie gesagt, ich erhielt weder Briefe noch Päckchen von Dir. Geld, 100 Rmk, habe ich schon länger abgeschickt! Die letzten 60 Rmk folgen noch. Ich hatte davon gebraucht, weil Dein Monatsgehalt auch noch nicht gekommen ist, und ich nichts abholen konnte. Auch die Zeitung bleibt noch aus. In Köln muß es ganz furchtbar sein. Man sieht nur alles Menschen, die aus der Stadt gehen. Sie kommen mit vollgepackten Rädern, mit Handwagen, mit Fuhrwerk, mit Auto’s. Alles Koffer, Möbel + Hausrat. Köln wird eine tote Stadt werden. Auch von hier bringen viele Leute ihre besten Sachen fort ins Bergische oder sonst zu Verwandten + Bekannten. Ich möchte wohl auch gerne allerlei in Sicherheit bringen. Aber wohin? Herr Jansen hat seine Mutter hier. Sie ist leicht fliegergeschädigt! Gott sei Dank haben wir mal 2 Nächte keinen Alarm gehabt! Letzte Nacht, aber sofort nach einem schweren Gewitter, war der Tommy schon wieder da! In Rußland sind auch schwere Kämpfe im gange, auch auf Sizilien. Wie die Feinde Hand in Hand arbeiten.

Du schreibst von einer neuen Stellung. Was ist es? Richard hatte 20 Tage Urlaub, weil seine Schwiegereltern am 29. + sein Vater am 5. Juli fliegergeschädigt waren. Der Vater hat im Büro alles verloren. T. Marie hat das Haus voll. Scheng + Gerhard’s Familie. Und das Wetter ist auch trostlos. Rauh + regnerisch. Ich spüre das auch sehr, besonders,

wo ich jetzt keinerlei Hilfe habe. Hanni konnte mir doch manches einholen. Und jetzt habe ich zusätzlich auch nur noch die Milch. Alle Zuwendungen haben aufgehört. Ich würde mich also freuen, wenn ich Deine Päckchen bekäme. Ich war wieder erkältet, habe noch den Husten. Wie ist es mit Deinem Urlaub? Ich würde mich so freuen, nach all der Unruhe, wenn ich Dich mal hierhätte. Allerdings die Reise ist ja sehr beschwerlich. Wie mag Oma sich einleben? Es wird schwer für sie sein. Traurig, daß es soweit kommen mußte! Ob die alten Leute das alles überleben? Ja, jeden Abend dankt man! „Ob es der letzte Tag war, den man lebte! Wie soll das enden? Nur das Gebet gibt uns Kraft, das alles zu ertragen. –

Für jetzt Schluß mein Junge! Es grüßt + küsst Dich recht herzlich in Liebe
Deine Mutter.