Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 3. Dezember 1945

Lüdenscheid, den 3.12.45

Liebes Mütterlein!

Der erste Adventsonntag ist vorbei. Die Predigt hatte als Grundgedanken das „sursum corda“, das wir jetzt in den Nöten, Wirren und Sorgen eines verlorenen Krieges nicht vergessen und übersehen dürfen. Der alte Gott lebt und regiert trotz aller Sünde, allen Gewalttätigkeiten und Raub und Totschlag. Er will uns zeigen, daß wir ein hohes Ziel haben und nicht uns nach irdischen Gütern streben. Der Tisch unserer Stube ist mit einem Edeltannenstrauß geschmückt an der Heidi selbstgefertigte Strohsterne gehängt hat. Ein Lichtlein des Adventkranzes brachte uns gestern rechte vorweihnachtliche Stimmung. Im Innersten bin ich sehr ruhig und sehr zufrieden, wie lange nicht mehr. Wie hast Du des Advent gedacht? Bist Du wohlauf?

Ich bin heute zum ersten Mal in Zahnbehandlung gewesen. Mein Bein macht keine Beschwerden doch habe ich im rechten Schultergelenk scheinbar eine Muskelzerrung, ich kann den rechten Arm nicht richtig gebrauchen. Wie soll ich es mit Weihnachten machen? Kommst Du her oder soll ich versuchen Urlaub zu bekommen? Wenn Du Platz hast mußt Du mir schreiben.

Heidi hat Weihnachten und die folgenden Tage bis Neujahr Urlaub. Schiffers haben mich schon eingeladen, ich habe aber noch nicht zugesagt, ich möchte doch lieber mit Dir Weihnachten feiern. –

Schreibe mir bitte bald Deine Meinung. Wenn ich kommen soll mußt Du mir eine Bewilligung bzw. Genehmigung des Bürgermeisters schicken, sonst bekomme ich vom Engländer keinen Urlaub.

Dir alles Gute!

Frohe Grüße und beste Wünsche
sendet Dir
Dein Junge.