Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 21. September 1943

Guben, den 21.9.43

Liebe Mutter!

Nach langer, im Allgemeinen aber guten Fahrt bin ich heute um 16.30 Uhr hier eingetroffen. Ich hatte von Dortmund bis Stendal ein Abteil für mich alleine, habe gut geschlafen, wurde aber gegen Morgen durch empfindlich kalte Beine geweckt, der Zug war ungeheizt. Von Alarm habe ich nichts gemerkt, hörte aber, daß Berlin und Umgebung Fliegeralarm gehabt hat. Am Bahnhof Zoo hatte ich sofort Anschluß, der Zug ging nach Krakau, war brechend voll, für mich blieb ein guter Stehplatz. Jetzt beginnt das Malheur! Ich hatte in Frankfurt 3 Stunden Aufenthalt. Erst um 13.32 ging ein Fronturlauber nach Lemberg, der in Guben hielt. Dort ziemlich müde und dreckig angekommen bin ich erst mal zum Friseur gegangen, bin dann mit dem Bus 7 km zur Kaserne raus gefahren. Wie gesagt, noch zu früh! Ich kann heute noch niemand der Herren erreichen. Robert Ley ist hier, hat Kasernen u. Lager besichtigt und eine flammende Rede an die Rekruten gehalten. Jetzt sitzt er im Offz. Kreis im Kasino, da kann ich durch meine Anmeldung nicht stören. Die Vorstellung beginnt morgen. Ich bin gespannt, was man mit mir anstellen wird. Vorläufig bin ich für heute Nacht bei der l. mot. Battr. untergekrochen, ich werde prima schlafen.

Für den schönen Tag zu Hause, für die ausgezeichnete Kost und all die Liebe, die Du an mich wiedereinmal gewandt hast, danke ich Dir von ganzem Herzen. Wie soll ich das Alles einmal gut machen?

Bei der Abfahrt traf ich auf dem Kölner Hbf. einen Kameraden der 2. Battr. aus Norge. Er war in Urlaub und konnte mir allerlei erzählen. Ebenfalls konnte ich mich von Frau Ermert verabschieden. Sie stand plötzlich laut tosend vor mir, woher sie gekommen war, kann ich nicht sagen.

Ich werde jetzt wohl soviel Zeit haben, daß ich alle meine Briefschulden abtragen kann. Ich beginne damit schon heute Abend.

Soeben wurde ich weggeholt, ich sollte zur Abt. kommen. Ich bin zurück, nachdem ich mich beim Kommandeur gemeldet habe, mit dem Adj. Obltn. Steffani geplaudert, zu Abend gegessen und eine Zigarette geraucht habe. Erster Eindruck gut, verträgliche, viel verlangende Vorgesetzte, kolossale Beziehungen, ganz große Protektion, d. h. richtig verstanden, für die junge Truppe. Alles junge Leute, man wird wieder selbst jung! Nun muß man sehen, wie es Alles wird! Ich werde Dich auf dem Laufenden halten.

Ich will nun schließen, denn ich bin hundemüde und morgen geht’s ran an den Feind.

Mit Gruß und Kuß
verbleibe ich
Dein Rudolf.