Anna Schmitz an Sohn Rudolf, 14. Dezember 1935

Köln-Dellbrück, 14. Dez. 1935.

Mein lieber, großer Junge!

Heute komme ich erst dazu, Dir zu danken für Deinen lieben Brief vom Sonntag. Wenn ich Dir sage, daß ich dazu noch keine Zeit gefunden habe, so weißt Du, daß das kein leeres Gerede ist, Du kennst ja die Arbeit! – Zunächst wünsche ich auch Dir einen schönen Sonntag, der dritte Adventssonntag schon. Wie die Zeit verfliegt. Morgen brennen schon drei Kerzchen vor meinem Strauß! Ob Du am 4ten Advent schon bei mir bist, und wir zusammen die alten, lieben Lieder singen werden. Dann kannst Du Deine Krippe ja selbst aufbauen! Es wäre ja zu schön!!! Was meinst Du, wie ich mich freue!!! Oder müssen wir uns gedulden bis zum Sylvesterabend; denn wenn Du nicht eher kommst, haben wir dann unser Fest! Und was für eins! Gelt, mein Kind, so Gott es will, werden wir es uns nach unserm Sinn und unserer Art gestalten. Es soll ein Festtag werden für die Seele und für den Leib! Wir verstehen ja, Feste zu feiern. Wohl nicht im Sinne des Alltagsmenschen! Aber es soll auch ja unser Fest sein! Am Dienstag hoffe ich ja nun nähere Nachricht zu bekommen. Solltest Du nun zu Weihnachten nicht kommen, (ich hoffe ja doch) so werde ich Dir aber kein großes Paket schicken. Das Christkind beschert erst hier zu Hause. Ich backe Dir dann nur einen Kuchen, denn doppelt zu bescheren, erlauben ja unsere Verhältnisse nicht! Dann ist ja auch schnell der 30te. Ich denke, daß Dir das recht ist. Auch ich freue mich sehr aufs Christkind. Nicht nur um des Geschenkes willen, das schönste Geschenk bist Du mir ja selbst,

wenn Du kommst! Ich weiß nur noch nicht, ob ich an Vater schreiben soll. Ich bin so unentschlossen. Wann tust Du es? Schreib aber ausführlich und lieb! Könnte der Vater doch nur einmal mit uns + bei uns Weihnachten feiern. Ob der liebe Gott das einmal gibt? –

Auch hier ist es sehr kalt. Vorigen Sonntag, am schönen 8. Dez., hat es den ganzen Tag geschneit. Auch heute früh fing es wieder an. Sonst ist Frost. Es ist aber schön! Daß es sehr schön im winterlichen Wald zu reiten ist, kann ich mir vorstellen. Träumst Du Dich da nicht in allerlei Geschichten hinein? Was macht übrigens Dein Ully? Gibst Du ihm auch Zucker? Ob ich an unsere Fahrten noch denke? Oja, mein Kind! Wie sollte ich das vergessen. Manche schöne, aber auch manche beschwerliche Fahrt haben wir gemacht! Aber schön war’s doch! Ich freue mich, daß Dich der Dellbrücker Nikolaus befriedigt hat. Ich höre, auch T. Stina hat Dich bedacht! Hast Du Heinr. Brief erhalten. Dort ist noch alles beim Alten! Hanni ist noch zu klein, um den Sinn vom Nikolausfest zu verstehen. Sie fängt nun auch an zu plappern.

Da habt Ihr am 18. Eure Feier! Ich bin gespannt, obs schön wird. Ich könnte es mir fast denken! Na, Du wirst mir ja erzählen. –

Da hast Du ganz recht, daß Du Dir die extra Sachen nicht bestellt hast. Ich denke, daß Eure Sachen so ordentlich sind, daß Ihr Euch sehen lassen könnt. Soldat ist Soldat! Einfach + sauber. Ich meine nicht nur des Geldes wegen. Ein einfacher Soldat braucht nicht zu glänzen. Ich meine die Vorgesetzten sähen das auch wohl noch lieber. Sackkoppel + Säbel tuen es nicht allein. Die Hauptsache ist, der Mann taugt! – Ich hoffe, daß wir die meiste Arbeit nun bald bewältigt haben. Ich konnte noch garnichts backen. Auch morgen muß ich noch arbeiten! Na, da denken wir beide: „Saure Wochen, frohe Feste!!!

Also, dann sage ich mal, auf baldiges, frohes Wiedersehen! Ich sende Dir viele liebe Grüße und einen festen Kuss und bin in Treue
Deine Mutter!