Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 1. November 1940

Berg.-Gladbach, 1. Nov. 40.

Mein lieber, guter Junge!

Heute hatte ich nun auf einen Brief von Dir gewartet, der nicht kam. Nun hast Du wohl mehr Arbeit, was. Dein letzter Brief war von Dienstag vor 8 Tagen. Ich denke aber, daß es Dir gut geht, und Du gesund bist. Inzwischen wirst Du wohl auch die Päckchen mit den Birnen und der Uhr und dem Kuchen erhalten haben. Morgen schicke ich Dir einmal wieder ein paar Aepfel. Ich lege Dir auch eine Zeitungsnotiz in diesem Brief bei, die Dich interessieren wird. Möge unser Herrgott geben, daß Du auch bald zum Ziele kommst! – Nun ist heute schon Allerheiligen! Wo bleibt die Zeit! Nun rückt das Weihnachtsfest schon langsam heran. Wie wird es in diesem Jahr? Wird der Engländer uns und dieses Fest stören? Wirst Du vielleicht da sein, mein Junge? Aber alles, wie Gott will! Einmal wird wohl auch der Krieg zu Ende gehen! Heute, wo es schönes Wetter war, war allerlei Betrieb auf dem Friedhof. Viele Menschen waren da. Wie muß es den Eltern und Frauen zu Mute sein, die nun ihr Liebstes schon in fremder Erde ruhen haben. Ich sah heute eine Mutter,

die auch ihren einzigen Sohn verloren hat. Es muß schrecklich sein. Von hier weiß ich nichts Neues zu berichten, alles ist in Ordnung. Oma wird heute 70 Jahre alt, + Josefs Mutter hier in Gladbach 72 Jahre alt. Morgen soll Josef in Urlaub kommen, da müssen wir wieder in Dellbrück bleiben. Es wird uns komisch sein. Hoffentlich kommen die Engländer dann nicht zu schlimm.

Nun will ich Schluß machen, es ist schon spät. Empfange viele herzliche Grüße + einen festen Kuß
Deine Mutter.