Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 1. Dezember 1939

Köln-Dellbrück, 1. Dez. 1939

Mein lieber Rudolf!

Heute, am Freitag, erhielt ich Deinen lb. Brief vom 24.11. Nun ist schon der Weihnachtsmonat da. Ja, wir hatten es uns anders vorgestellt. Aber, es ist nun Krieg; da muß alles zurücktreten.

Ich habe mich über Deine lieben, herzlichen Worte sehr gefreut! Ja, das schöne helle und trockene Wetter hat nicht lange angehalten. Noch immer regnet es und ist es trübe. Überall ist Hochwasser. Der Rhein tritt auch am Stapelhaus über die Ufer. Man wird ganz kleinmütig in dem Wetter, besonders, wenn man an Euch da draußen denkt! Du teilst mir ja Freudiges mit. Wie fein wäre das, wenn Du zum Fest in der Nähe wärest, und mal kommen könntest. Ich bin aber auch so froh, wenn Du mal wieder unter Menschen kommst! Das ist doch klar, daß ich Dich dann öfter besuchen komme.

Was wir hier vom Krieg meinen, fragst Du? Ja, es sind viele Meinungen. Die meisten gehen dahin, daß es hauptsächlich ein Seekrieg + Luftkrieg wird, und unsere Propaganda + der Wirtschaftskrieg nicht zu vergessen. Na und Indien, hoffentlich geht es da auch weiter. Über meine Einquartierung schrieb ich Dir ja schon. Heute ist sie abgerückt! Es sollen wieder neue kommen. Kommt ihr mal nach Dellbrück, Du kannst bei mir wohnen+ schlafen. Das wäre was?!! Ich mache es Dir gemütlich. Der Soldat hat sich ganz wohl hier gefühlt, daß des Abends immer im

warmen Stübchen. – Ja, ich nähe noch immer. Noch haben wir Arbeit, nach Weihnachten soll es wohl still werden. Man muß jetzt so viel laufen um alles rechtzeitig einzukaufen. Nächste Woche gibt es die Kleiderkarte mit 100 Punkten für ein Jahr. Deine Sachen von der Regierung sind noch nicht da. Ich freue mich ja, daß Du noch gesund bist. Alles Andere kommt dann auch, wenn es auch lange dauert. Wir können es ja nicht ändern. Es geht eben langsam. Einmal werden wir doch wohl ans Ziel kommen. Mir ist es ja auch manchmal schwer, wenn man sieht, wie es andere doch leichter haben. Aber es ist nun einmal so. Ich gehe noch immer zu Tante Stina essen. Am besten schmeckt das Gemüse durcheinander, das Andere, Du weißt ja! Sonst ist hier alles im Lot! Franz-Josef von Heinrichs ist auch eingezogen als Rekrut in Ostpreußen. Dem wird es auch schwer fallen. Hilde Klode hat ihr kleines Söhnchen von 4 Monaten durch den Tod verloren. Heute begegnete mir Fr. Klode. So hat jeder sein Kreuzchen. Rudolf ich war auch schon beim Christkindchen. Aber bis Weihnachten bekomme ich nicht das mehr, was ich für Dich haben möchte. Hast Du das Nikolauspaketchen schon bekommen, auch das Stück Stollen. Hat es geschmeckt? Tante Stina hat Dir wohl auch ein Paketchen geschickt?

Hast Du Nachricht von Marga Frerichs? Frau Planz kommt immer des Dienstags. Richard ist noch in O. Sie unkt noch immer. Ich lasse mir aber den Mut nicht nehmen. Heute kam Deine Steuerkarte an, ich schicke sie gleich zurück! Denkst Du an die Bescheinigung, damit ich wenigstens Steuerermäßigung bekomme, wo ich sonst nichts bekomme. – Nun mein KInd, für heute Schluß.

Bleibe gesund, damit wir uns bald wiedersehen! Empfange viele herzliche Grüße + einen Kuß
v. D. tr. Mutter.