Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 1. November 1942

Allerheiligen 1942.

Mein Junge!

Sonntag, Allerheiligen ist’s! Eben bin ich mit allem fertig. Ich hatte doch ein bischen das Essen für Dich mitgerichtet, denn ich hatte doch bestimmt gehofft, Dich heute hier zu haben. Schade, schade, daß es nicht so ist! Wie hätte ich mich gefreut! Aber, was sind jetzt schon Wünsche eines Einzelnen! Es ist Krieg. Schreckliches Wetter ist draußen, Regen, dunkel, diesig + Wind. Ich war heute früh auf dem Friedhof + brachte Blumen hin, weil Oma heute in Gladbach ist! Weißt Du noch, wie wir in früheren Jahren von Eschw. nach Dellbrück fuhren + des Abends zurück. Wenn dann, an schönen Allerheiligenabenden überall auf den Friedhöfen die Kerzen brannten. Ich hatte immer so gern den ganz kleinen Friedhof + das Kirchlein von Merode, bei Düren, an dem wir dicht

vorbeifuhren! Ja, das ist lange her. - - -. Hast Du inzwischen alle Post bekommen? Ich hoffe es doch, es macht nämlich nicht so viel Freude, wenn man ein Menge Briefe auf einmal bekommt, als jeden einzeln. Ich erhielt am Freitag Deinen lieben Brief vom Montag + gestern Nachmittag den vom 30.X. Ich sehe, daß Du zufrieden + froh bist, das macht mich auch zufrieden. Also bist Du jetzt wieder bei der bespannten Art? Freust Du Dich, wieder reiten zu können. Ich glaube doch! Und bald rückt Ihr aus? Ich bin gespannt, wo es hin geht! Nun lernst Du wieder ein anders Land, andere Menschen kennen. Aber, Norge wirst Du nicht vergessen. Wie ich Dich kenne, sagen Dir die Menschen dort sehr zu + auch das herbe schöne Land. Ob Du noch mal hin kommst. Ich kann mir denken, daß Gerd Dich gerne noch einmal gesehen hätte. Schon über zwei Jahre kannte sie Dich. Es war doch ein Erlebnis für sie, das sie nie vergessen wird. Ja, so ist das Leben. Es ist nur gut, wenn man

an Vergangenes ohne Bitterkeit + Selbstvorwürfe denken kann. Siv kanntest Du wohl noch nicht lange genug. Sie war wohl auch ganz anders. Du wirst an Lindh’s doch wohl noch hin + wieder schreiben, sie waren Dir doch gut!? Für ihre lieben Grüße danke ich herzlichst. Ich kann ihnen wohl nicht schreiben? – Neues gibt es von hier nicht zu berichten. Gestern habe ich den Kuchen angeschnitten, den ich vorige Woche für Dich gebacken hatte, + die schönen Birnen, die für Dich bestimmt waren, habe ich eingekocht. Zu schade, daß ich Dir nichts schicken kann. Hast Du keine Marken? – Fr. Perger erzählte mir heute früh auf dem Weg zur Kirche, daß Karl-H. die Vorprüfung bestanden hat. Es wäre viel verlangt worden, daneben der militärische Dienst. Jetzt kam ein Offizierkurs + dann Urlaub. Er wird in Köln weiterstudieren. Alles wir gewünscht. Wie mag es Dir gehen? Es ist mir manchmal schwer ums Herz, aber dann tröste ich mich + denke, wie Gott es will, wenn es auch schwer fällt.

Oft + oft denke ich an P. Vorspel’s Worte: „Rudi ist ein Später!“ Als ob er alles vorausgesehen hätte! –

Heute ist in der Kirche Gedenkfeier für unsere Gefallenen. Unten, an dem H.-Jesu-Altar hat man alle Namen der Gefallenen angebracht + einen sinnvollen Spruch. Würdig ist die Stätte heute geschmückt, auch mit einem großen, wundervollen, weißen Kranz von der Pfarrgemeinde. Erschütternd für die Angehörigen. – Joh. ist wieder zu Hause. Heute bin ich ganz allein. Gestern Abend war ich bei Ermerts. H. E. entschuldigte sich, er hätte Dir noch nicht gedankt, hätte gedacht, Du kämst! Fr. E. hat die Gürtelrose. Das ist auch nichts, immer + immer krank!

Und nun mein Junge leb wohl + alles Gute! Es sendet Dir recht herzlichen Gruß + Kuß
Deine Mutter.