Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 27. Oktober 1940

Sonntag, den 27.X.1940

Liebe Mutter!

Gestern erhielt ich Deine lieben herzlichen Briefe vom 10., und zwei vom 16. d. M. Für Deine ausführlichen und lieben Zeilen hab vielen, vielen Dank. Auch für mich ist es immer ein Fest, wenn ein lieber und froher Gruß von Dir kommt. Ich bekomme ja sonst so wenig Post. Onkel Arnold schreibt schon mal und dann in der sattsam bekannten Art. Gestern erhielt ich auch Post von einem Kameraden, von Theo Urbach. Er wurde von Groß Born aus versetzt und kam im Laufe des Krieges bis nach Belfort. Jetzt liegt er in Ulm in Garnison.

Hier im Lager ist es recht einsam. Zur Stadt müssen wir 1 ¼ Stunde laufen. Es ist ordentlich kalt geworden. Das Thermometer zeigt heute Morgen z. B. -12° C. Es reift stark. Selbst fließende Wasser haben schon eine Eisdecke.

Gestern Abend waren wir aus. Auf dem Heimweg sahen wir herrliches Nordlicht. So schön hab ich es noch nie erlebt.

Es war ein wundervoller, vor Kälte zitternder, winterlicher Sternenhimmel. Aus dem Wünschen kam man garnicht mehr heraus, soviel Sternschnuppen fielen. Unter dem Großen Bär hing das Nordlicht. Erst schienen hinter dem Berg eine und mehrere Scheinwerferbatterien aufgefahren zu sein. Senkrechte hellgrüne Lichtstreifen ragten in den Himmel. Doch das Licht war beweglicher. Dauernd veränderten die Lichtstreifen ihre Lager. Das schönste Bild kann man mit Girlanden vergleichen. Wie schwere silber und goldbrokatene Vorhänge hing die Feuergirlande am Himmel. Du kannst mir glauben, solch Naturschauspiel ist ein Erlebnis. Der Norweger hängt einen ängstlichen Aberglauben an das „nor lys“.

Mir geht es gut. Der Dienst ist noch nicht sehr stramm. Wir warten noch auf die Rekruten aus Deutschland. Morgen sollen sie kommen.

Nun Thema Pelze! Ich kann soviel Pelze kaufen um ganz Dellbrück damit zu versorgen. Aber da gibt es einige Schwierigkeiten.
1.) Mich kostet der Pelz mit Vorzugspreis 50-150 Kronen. Schöne Exemplare kosten mindestens 80,00 K. Soviel Geld hab ich nun nicht gespart, aber ich kann auf Stottern kaufen.
2.) Von Deutschland kann man uns kein

Geld schicken. Tante Finchen und Elli müßten Dir dann das Geld geben. Wir könnten tatsächlich so schönes Geld verdienen. Elli schenke ich einen Pelz, weil sie Dir jetzt so nett entgegenkommt. Du schreibst mir, wer einen Pelz haben will. Die Häute sind unverarbeitet und ungegerbt. Das Zurechtmachen in Deutschland würde ungefähr 20,00 M. ausmachen. Ein Pelz von 50,00 Kronen würde in Deutschalnd von einem Kölner Kürschner auf 350-400,00 M. taxiert. Eine Frau hatte sich in Köln den Pelz zurechtmachen lassen.

Ja, schön wäre es, könntest Du mich in Norwegen einmal besuchen. Dir würde es hier bestimmt gefallen! Gerd würde sich freuen, wenn Du ihr Bilder schicken würdest. Von Deutschland spricht sie wie vom Paradies. Immer mehr gehen die Interessen der Norweger von England ab. Deutsch wird modern! Deutsche Mode, deutscher Film und Theater, deutsche Kunst finden jetzt Eingang. Wir wollen aus dem Norweger wieder den starken urwüchsigen, heimatstolzen Germanen machen. Eine große, vielleicht schwierige aber auch lohnende Arbeit.

Mich freut es, daß Dir die beigelegten Photos Freude machen. Ich werde das so fortsetzen!

Ja, mein Mütterlein, könnte ich Dir die Angst und Unruhe nehmen, die Euch der Engländer fast jede Nacht bereitet. Ich glaube, Du würdest schon ruhiger sein, wenn ich bei Dir, zu Hause, wäre.

Ich danke Dir für Deine Sorge um meine Garderobe. Einmal werde ich die ja auch wieder gebrauchen.

Nun will ich für heute schließen!

Herzlichst grüßt und küßt Dich
Dein Junge.

Übrigens: Ungegerbte Felle sind soviel ich weiß zollfrei. Meine Quartierwirtin wird dann als Absender die Pelze schicken.

Gruß.
d. O.