Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 17. März 1940

Sonntag, den 17.III.1940

Liebe Mutter!

Heut‘ ist ein schöner, sonniger Sonntag! Aber immer ist es noch Winter. Scheinbar müssen wir in diesem Jahr Ostern im Schnee feiern. Sehr kalt fegt heute der Wind über die immer noch gangbare Eisdecke des Sees. Immer noch ist der Boden hart gefroren und mit Schnee bedeckt. Und wie ist es im Rheinland? Ist auch dort der Winter wieder eingekehrt? Die Urlauber erzählen von 15° Wärme, sie wären im Rock aus gewesen. Herrjeh wird das schön, wenn ich in Urlaub komme!

Ich bringe Dir dann auch die Monatshefte mit. Jetzt sind sie zwar dünner aber genau so fein wie früher. Allen Kameraden bereiten sie Freude, denn alle sind der billigen Liebesromane für 15 Pf. überdrüssig. Wenn ich in Urlaub komme nehme ich mir mein Ringbuch mit, damit ich noch einmal alles repetieren kann. So muß man sich bemühen nicht zu verdummen.

Wie doof müssen erst die Sandhasen werden, die nur mit ihrem Gewehr exerzieren können. Kinobesuch ist immer noch Trumpf. Jetzt habe ich schon viele schöne Filme gesehen.

„Kriminal Komissar Eyk, - Fraulein, - Wasser für Canitoga – Präriereiter , - Der Fall Deruga, - Roman eines Arztes, - Robert Koch, - Paradies der Junggesellen, - D III.98, - Weißer Flieder, - usw. Gehst Du auch schon mal zum Kino? Auch Du mußt etwas zur Unterhaltung, zur Anregung haben. Gehen wir in meinem Urlaub denn zum Theater? Hast Du jetzt Dein neues Kleid?

Gestern schrieb Heinrich mir einen langen, netten Brief. Aus ihm leuchtete so recht seine große Tier und Naturliebe heraus. Was machen denn seine Räuber? Ich glaube, es klappt jetzt bei ihm zu Hause. Ich meine Johanna und er verständen sich jetzt gut. Die Krise scheint überwunden. Er schreibt Elli müsse mit dem Heiraten noch warten, langweilig wäre das Zusammenholen der arischen Abstammung. Übrigens, gehst Du vielleicht einmal zum Standesamt nach Gladbach. Für mein Studium muß ich den Nachweis ja auch erbringen. Bei Schlössers nichts Neues? Ist Tante Marie noch wohlauf? Hoffentlich hat der harte Winter sie nicht zu arg mitgenommen. Gebe Gott, daß wir ihr noch viel gutmachen können.

Nun zu Dir? Bist‘ immer noch die Alte? Bist‘ gesund? Sei froh und schau nit zu grätig in’n Tag. Es wird Frühling und auch Frieden, dann kommt Dein Junge heim und bleibt ganz lange bei Dir. Was macht die Einquartierung? Hast Du immer noch den gleichen Vogel? Ist das auch leichte Artillerie.

Ich will jetzt schließen und warten ob die Post mir etwas bringt, dann schreib ich weiter.

- 20.00 Uhr! – Nichts kam, kein Brieflein. Heute Nachmittag habe ich geschlafen und gelesen. Habe heute den ganzen Tag gefaulenzt. War auch einmal ganz schön, nur ein bischen langweilig. Neues ereignete sich nicht.

Nun mit ahoi in die neue Woche! Morgen wieder Übung. Da geht’s früh aus den Federn.

Alles, alles Gute wünschend
grüßt und küßt Dich
Dein großer Junge.