Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 29. Dezember 1945

Lüdenscheid, den 29.12.45

Mein liebes Mütterlein!

Das schönste Weihnachtsfest, ich konnte drei Tage feiern, ist nun vorüber. Kurz möchte ich Dir von diesen Tagen erzählen. Nach schlichter aber geschmackvoller Feier im Kreise der Kameraden bin ich mit Heidi zur Christmette oben im Lazarett gewesen. Die Schwestern gestalteten durch Schmuck und gepflegten Gesang den Gottesdienst zu einem Erlebnis. Dann gab es den schon gewohnten Gang zu Schiffers, die eben aufgestanden sich zur Mette fertig machten. Eine nette Bescherung fand statt bei der ich auch reichlich bedacht wurde. Ich habe ein schönes Leinensporthemd, extra angefertigt, mit festem Kragen, ein Paar gestrickte Fausthandschuhe und 3 Taschentücher mit Monogramm erhalten, halt – bald hätte ich ein Paar Strümpfe vergessen. Ich selbst schenkte Frau Schiffer ein Buch, Frl. Gudrun eine selbstangefertigte Buchhülle. Leider hatte ich nichts für Heidi, di ich vertrösten mußte. Dein Päckchen ist noch nicht angekommen! – Ich habe dann bei Schiffers 3 schöne Tage verlebt. Es war recht gemütlich. Ich habe in dieser Zeit gespürt und erfahren, daß Heidi durch Ihre Seele, Ihr Wesen, ihre Herkunft, ihr Elternhaus und Heim sehr gut zu mir paßt. Ich bin fest entschlossen sie zu heiraten. Mit der Konfession wird es auch gut und klar gehen! Heidi wird zuhause keine unüberwindlichen Widerstände gegen Konvertieren haben. Frau Schiffer hat große Neigung zu unserem Glauben. Sie ist tief religiös aber nicht fanatischer Protestant. Warum das so ist will ich Dir mündlich einmal berichten.

Liebes Mütterlein, wie hast Du das schöne, deutsche Fest verbracht? Hoffentlich bist Du mir nicht böse, daß ich Dich allein ließ. Mein Bein ließ aber damals die Reise nicht zu. Es hat sich wieder sehr gut gemacht.

Jetzt setz‘ Dich erstmal, denn ich muß Dir eine Neuigkeit mitteilen. Aus Platzmangel werden am Mittwoch oder Donnerstag 250 Patienten entlassen, ich bin darunter. Du wirst mich also am Freitag oder Samstag für immer zu Hause haben. Ich werde zur ambulanten Behandlung entlassen. Ein Krankenschein der A.O.K. wird mir unentgeldliche Behandlung durch den Arzt meines Vertrauens sichern. Ich bin zeitweise arbeitsuntauglich erklärt! Ob Du Dich freust? Sieh‘ mal, vielleicht ist es gut so, denn hier gibt es doch keinen Wehrsold mehr. Zu Hause aber kann ich bei meiner Schonung Dir zur Hand gehen, mich um Beruf und Studium kümmern. Wirst Du mit der Verpflegung Schwierigkeiten haben? Ich denke, wir werden auskommen, hier wird die Kost auch immer schlechter. Ich kann mir vorstellen, daß es zu Hause bestimmt auch so wird. Nun muß ich Dich fragen ob Du mich abholen kannst, wenn es nicht zu beschwerlich für Dich ist. Du weißt ja zum Gepäcktragen bin ich noch zu unbeweglich. Ich würde Dich am Mittwoch erwarten, bringst Du ein Gepäckstück mit? Wenn nicht, können Schiffers mir einen alten Koffer borgen. Kannst Du mir Hut und Mantel mitbringen wenn Du mich holen kommst?

Also, liebes Mütterlein, auf ein frohes Wiedersehen!

Es grüßt und küßt Dich
Dein großer Junge.