Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 31. Januar 1940

Köln-Dellbrück, 31. Jan. 40

Mein lieber, lieber Rudolf!

Nun will ich zwei liebe Briefe von Dir beantworten, die vom 20. + 21.1. Ich habe mich über Deine lieben Worte sehr gefreut. Ich hatte ja so still gehofft, ich würde Dich bald hierhaben und brauchte Dir nicht mehr zu schreiben. Aber, immer noch warte ich vergebens. Ich bin ganz beschämt von Deinem lieben Brief vom 21.1. Ja mein Kind nun mußt Du, der Du es draußen doch härter hast, als ich, mir Mut machen. Ja, ich halte den Kopf hoch, Du hast recht, geradeaus wollen wir weitergehen, wie bisher, wenn es auch langsamer geht, als bei Andern. Du fehlst mir ja sehr. Wenn ich Deine Jugend mit ihrem frohen Mut und ihrer Zuversicht um mich habe, ist es für mich auch leichter. Das alte Übel, ich grüble zuviel. Ich weiß es selbst, aber ich kann es nicht ändern. So, nun genug von mir, ist bei Dir noch alles in Ordnung? Bist Du gesund, das ist ja immer die sorgenvolle Frage, jetzt in dem so sehr harten Winter. Es will scheint’s noch immer nicht weichen. Dieses Jahr meint er es besonders gut! Hier liegt der Schnee schon hoch, wie mag es erst bei Euch da oben sein? Seit der Weihnachtswoche ist er hier noch nicht verschwunden. Es ist ja wunderbar draußen. Sonntag war ich wieder im Wald, ganz um die Mielenforster Wiese herum nach Brück. Heute schneite es wieder ein wenig. Der Rhein hat immer noch Treibeis. Man braucht

sehr viel Brand. Arbeit haben wir nicht übermäßig. Ich schrieb Dir ja schon, daß H. Schmidtke weg ist. Es hat mir wirklich leid getan. Er war ein feiner, ruhiger Mensch. Jetzt habe ich gerade das Gegenteil. Unruhig und wenig fein. Auch H. Sch. ging nicht gerne. Er will mal schreiben. Hast Du inzwischen das Päckchen erhalten? Hat’s geschmeckt? Nächste Woche schicke ich nochmal etwas. Herrn Schm. schicke ich aber auch mal ein Päckchen mit Zigaretten, wenn ich seine Adr. weiß. – Ja, mein Kind, wenn Du nun noch mal kommst, dann wollen wir aber auch mal in die Oper und das Schauspiel. Mein Kleid ist noch nicht so weit. Tante Finchen, Elli, Oma + ich, alle bekommen wir etwas Neues zu Ellis Hochzeit, voraussichtlich im März! Da muß die Näherin sich dranhalten. Bei Gompertz war ich mal. In 14 Tagen etwa bekommen wir einen neuen Rahmen. Das eine Bild hatten sie im Fenster. Ich glaube auch, für uns paßt dieses, was wir haben, besser. Ein sehr schönes von Hans Thoma hatten sie auch da, Kinderreigen. Aber, wie wir uns unser Zimmer denken, ist das Unsrige passender. – Am Montag war Richard mit Fr. Pl. für eine Stunde hier. Er ist noch der Alte; war mit Margaret gewandert. Hat 7 Tage Urlaub, ist hier nicht allzu weit fort! Er hatte sich bald in den Haaren mit meiner neuen Einquartierung, das ist ein Hitzkopf! Ich soll Dich natürlich grüßen. Es war ja eine Auszeichnung, daß er hierher kam, und seine kostbare Zeit opferte. Er ist ja so in Anspruch genommen. Du weißt ja. Na, wir bleiben beim Alten, gelt, und trotzdem kommen

sie doch! – Nun Rudolf, will ich schließen. Bleib froh + gesund! Ich sende Dir einen herzlichen Gruß + Kuß und bin in alter Liebe
Deine Mutter.