Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 28. Mai 1935

Köln-Dellbrück, 28. Mai 1935.

Mein lieber Junge!

Nun will ich Dir zuerst ein halbes Stündchen opfern. Ich komme von Köln vom Geschäft, habe viel Arbeit. Aber ehe ich die Wohnung fertig mache, will ich Dir allerlei erzählen.

Über D. lb. Brief freute ich mich sehr, Du weißt ja, daß mich jede Nachricht von Dir erfreut! Also, schönen Dank! Die Grüße habe ich an Alle ausgerichtet! Ja, mein Junge, Mutter hat in dieser Woche auch verschiedentlich bis 12 Uhr gearbeitet. Ich habe 30- Mk verdient, da brauche ich Dir weiter nichts zu sagen! Aber trotz vieler Arbeit, (auch morgen muß ich dran,) bin ich zufrieden + frohgemut! Wenn ich an Dich + Vater denke, dann bin ich so froh! Ich danke dem lieben Gott und bitte ihn täglich um Schutz + Segen für Euch, meine beiden Lieben! Auch die Maienkönigin grüße ich fröhlich! Heute früh um 6 ½ Uhr war ja hlg. Messe für Dich + Vater. Ich konnte so gut beten für Euch! Hast Du es gemerkt? Auch ich freue mich sehr auf Deinen lb. Besuch zu Pfingsten. Hoffentlich geht alles gut, und Du bekommt 2 Tage Urlaub? Dann kannst Du Dich ordentlich pflegen. –

Du mußt es ja wissen, wenn Du nicht nach D. fahren willst. Gewiß, Du hast recht, wir können uns dafür mal etwas leisten!

Danke Dir, gestern kam schon von Vater das G. an? So früh, gelt? Er ist doch lieb! Hoffentlich gibt der liebe Gott, daß wir ihm auch noch Freude bereiten können! Wie gerne möchte ich ihm sein Alter verschönern! Wie Gott will!

Ich dachte Dir alle Papiere senden zu können. Leider habe ich noch nichts von Gladbach. Ich denke jeden Tag, sie kommen! Vorerst das Beiliegende! Es ist doch gut, daß Du Dich freiwillig zum Dienst b. d. Reichswehr gemeldet hast. Tu nur Deine Pflicht, und hast Du die dem Vaterlande

gegenüber erfüllt, dann bist Du ein ganzer Mann, und kannst in Ruhe Deinen Beruf ergreifen. Möge der liebe Gott Dich segnen, dann geht alles gut! Vergiß auch Du Deine Pflichten nicht! Sei auch Du ein Mann! –

Nun etwas Neues. Hier im Hause ist große Aufregung, Maria hat sich am Arbeitsamt um eine Stelle beworben. Man hat ihr gesagt, sie bekäme keine, bevor sie nicht im Arbeitsdienst war. Frau Bartz ist ganz außer sich. Sie meint, in Gleiwitz das sei Arbeitsdienst gewesen; es stellt sich übrigens heraus, daß sie dort glänzende Zeiten gehabt hat! Jetzt erzählt sie so nach + nach alles. – Ja, es wird soviel vom Opfern gesprochen, so lange das die Andern tun müssen. Aber wenn sie selbst mal etwas tun sollen, dann ist es ungerecht. Na, Du kannst es Dir denken. Ich meine, so wollen wir nicht sein, und das Vaterland kann Opfer fordern; soviel muß es uns doch wert sein! Was meinst Du? –

Jetzt ist auch schönes, warmes Wetter, es wird euch sicher schon ordentlich heiß! Soll ich Dir vor Pfingsten mal Fußlappen schicken. Ich denke, in der kommenden Woche, nicht? – Jetzt geh ich einkaufen + dann mach ich meine Bude fertig, und dann muß ich nähen! Gott befohlen mein Kind, bleib gesund + froh. Ich sende Dir viele liebe Grüße + einen treuen Mutterkuß,
immer die Deine in Liebe + Treue!

Einen schönen Sonntag wünsche ich Dir!