Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 30. September 1941

Zu Hause am 30. Sept. 41.

Mein lieber, großer Junge!

Da gestern das Schreiben so schnell ging, will ich heute etwas mehr auf Eine lieben Briefe eingehen! Ich freue mich so, daß es Dir gut geht, und daß es Dir bei der Truppe so gut gefällt. – Ja, ich habe die letzten schönen Sommertage noch ausgenutzt, denn bei uns hapert es mit der Arbeit. Wir haben Heereslieferungen (Seilbinder u.s.w.), die aber nicht in Heimarbeit gegeben werden. Viele Näherinnen sind in den Betrieb übernommen worden. Noch komme ich nicht in Frage, aber man weiß nicht, was kommt! Das wäre mir ja nicht recht, ich arbeite gern, aber nicht im Betrieb. Fr. Severin meinte auch schon, vielleicht müßte man sich noch umschulen. Aber als was? –

Hast Du inzwischen meine Päckchen erhalten, 2 Stück? Ich hoffe, in dieser Woche noch eins zu schicken? T. Finchen will Dir Aepfel schicken, sie hat geerntet. Man bekommt nichts an Obst zu kaufen. Man ist ordentlich obsthungrig. Nun will ich mich mal intensiv um eine Wohnung in Gladbach umsehen, auch zum Photographen gehen + wegen Deiner arischen

Abstammung. Ich nehme mir mal einen Tag dafür, um das alles in Gladb. zu besorgen.

Fein, daß Du Dir schon Stoff gekauft hast. Lässt Du Dir nun schon einen Rock anfertigen? Habt Ihr dort einen guten Schneider. Ich kann mir denken, daß es schönes Tuch ist, ich weiß es von Vater her. Ich freue mich auch, daß Du fleißig lernst! Hoffentlich dauert es nicht noch jahrelang (wie viele behaupten) ehe Du zum Studium kommst. Gewiß, wenn es so weit ist, hast Du große Erleichterungen. Gebe Gott, daß alles klappt. – Bekommst Du nun auch viel Post, wo Du so fleißig schreibst? Hörst Du noch etwas von Gerd, von H. Hilgers, von Schw. Elisabeth? Auch aus Nippes? – Heute ist ein rechter Herbsttag, dunkel + neblig. Ja, nun gehts in den langen Winter, der dritte Kriegswinter. Hier gibts nichts Neues. Jansens sind nach wie vor stur. Ich wäre froh, wenn ich raus wäre. Heinrich hofft in kurzer Zeit in Urlaub zu kommen, auch Willi wird versetzt! So, nun weiß ich nichts mehr.

Empfange viele liebe Grüße von allen aus der Heimat auch von Fam. Müller aus unserer Straße (die die Tochter verloren haben). Ganz besonders grüßt + küßt Dich in Treue
Deine Mutter.