Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 8. Dezember 1940

Berg.-Gladbach, 8. Dezember 40
Tag Maria Empfängnis.

Mein lieber Junge!

Nun will ich Dir mal wieder einen ausführlichen Brief schreiben, nachdem ich einige Tage nicht geschrieben habe. Ich dachte jeden Tag, ich hätte von Dir Post bekommen, aber es ist noch nichts da. Aber Elli bekommt auch nichts, darum denke ich, die Post ist gesperrt! Ich mache mir noch keine Unruhe, denn ich hoffe bestimmt, daß Du gesund + munter bist. Ja mein Junge, bist Du das? Heute früh in der Kirche mußte ich so viel an Dich denken, es ist ja heute das schöne Muttergottesfest, das für Dich + mich erinnerungsreich ist. Ich habe gerade dieses Fest immer so gerne gehabt! Und nun rückt mit aller Macht Weihnachten heran. Morgen, so Gott will, werden die Weihnachtspakete gemacht, sie müssen abgeschickt werden, damit Du sie früh genug bekommst! Ich werde Dir 3 Päckchen schicken, damit Du es weißt. Dann noch eins für Gerd. Dein richtiges Weihnachtsgeschenk kann ich Dir ja nicht schicken, ich habe es bereits zu Hause, Du findest es so Gott will dort, wenn Du kommst. Heute haben wir, Elli und ich, das letzte gebacken. Wir haben daran getan, was wir konnten. Hoffentlich schmeckt es Dir. Ich will auch Herrn Schmidtke ein Päckchen schicken. Herrn Lich. schicke ich keins. Ich kann so viel auch nicht. Ich habe auch für Tante Stina gebacken. Ich habe das ganze Jahr schon gesorgt + gespart und so geht es noch für die Kriegszeit. Wir, Oma + ich werden

Weihnachten wohl in Gladbach feiern. Einen Tag werde ich wohl zu Hause sein. Natürlich bestimmt kann man noch nichts sagen. Wie Gott will! Und Du? Wie wirst Du es feiern? Bist Du noch bei Lindh’s sein, oder schon im neuen Quartier? Wie ist das Wetter da? Heute war ich mit Elli im Kino, sah einen schönen Film mit Paula Wessely „Ein Leben lang“. Er erinnerte mich in etwa an mein Schicksal! Nur, daß im Film alles zu einem guten Ende kommt! Dann sahen wir auch Bilder aus Norwegen, aber hoch oben aus dem Norden. Wann gehst Du noch mal mit mir in einen Film? Wenn es gut geht, ist es doch nicht mehr so lange, gelt, mein Junge. So lange waren wir auch noch nicht getrennt! Seit Mai, resp. Anfang Juni bist Du nicht mehr zu Hause gewesen. Freust Du Dich auch, mein Junge? Heute war hier ein rauher, nasser Adventstag, daß heißt, die ganze Woche war stürmisch + naß + kalt. Viel Sturm haben wir in diesem Jahr. Ich singe bei der Arbeit wieder unsere alten, schönen Adventslieder. In der Kirche zu Hause hängt ein riesiger Adventskranz mit 4 großen roten Wachslichtern. In diesem Jahr sind die Weihnachtseinkäufe schon früh gemacht worden. In Köln ist schon vieles ausverkauft. Nun ist dieses Jahr auch schon bald zu Ende, jetzt sind die dunkelsten Tage. Man empfindet sie jetzt doppelt, weil dann die Engländer schon früh kommen können. Allerdings, als es so kalt war, konnten sie nicht! Wann hört das wohl auf. Ob wir es im Frühjahr schaffen? Ob

sie dann bald klein beigeben. Sie sind ja zäh, aber es wird ihnen doch viel abgehen an Waren, Lebensmittel + Kriegsmaterial! Es muß doch schlimm da aussehen. T. Mal hört jetzt garnichts von Finchen. – Heute waren Heinr. + Joh. hier. Beide Kleinen waren gestern mit hierhergefahren, sie sind schon in seliger Ruh. Sie freuen sich auf Weihnachten. Oma ist noch gesund, auch sonst ist alles in Ordnung in der Familie. Viel Neues gibt es in Dellbrück nicht. Alle jungen Leute sind fast fort! Man merkt es doch gut. Gebe Gott, daß der Krieg bald zu Ende geht, und alles wieder in Ordnung kommt. – Im Geschäft ist jetzt wenig zu tun, es leppert sich so daher. Frau Severin hatte ihren Sohn auch in Urlaub, er ist in Ostpreußen in der Garnison. –

So nun weiß ich nichts mehr. Also, Rudolf, ich wünsche Dir von Herzen alles Gute und grüße + küsse Dich in Liebe
Deine Mutter.