Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 2. Dezember 1945

Köln-Dellbrück, 2.12.45

Mein lieber Rudolf!

Der erste Adventssonntag! Über ihm steht der Spruch: Zu Dir erhebe ich meine Seele, mein Gott auf Dich vertraue ich! Das soll auch unser Leitspruch sein, denn nur Gott hat uns bis hierher geführt, er wird uns weiter helfen! Heute früh war es erhebend in der Kirche. Vor der Messe kam man in die dunkle Kirche, in der nur ein Adventslicht am großen Kranz leuchtete. Dann eine schöne Gemeinschaftsmesse. Ja Rudolf, mein Herz ist voll Dank + Freude; bes. wenn ich daran denke, daß Du nun auch bald zu Hause sein wirst! Deinen lieben Brief vom vorigen Sonntag erhielt ich am Donnerstag. Ich freute mich sehr darüber; bes. auch, als ich hörte, daß Du Dein Bein tüchtig schonst; und daß Du den Erfolg davon siehst. Was sagt

der Arzt? Wirst Du zu Weihnachten Urlaub bekommen. Ich habe mir gedacht, Du teilst es mir zeitig mit, dann komme ich + hole Dich + bringe Dir den Hut + ev. einen Mantel mit für unterwegs. Wäre Dir das recht. Nun will ich Dir von hier erzählen. also Kaiser’s werden, so Gott will am 10. oder 11.12. ziehen. Dann kann ich erst die Wohnung in Ordnung bringen. Ich habe nun noch vorher allerlei zu tun. Diese Woche werde ich mir zusammen mit Elli aus einer Decke einen Mantel machen. Dann muß ich für die Küche noch eine Garnitur nähen. (Übrigens denke ich da gerade an Deine Decke, vergiß sie bitte nicht, denn Du mußt sie auf Dein Bett haben). Dann will ich in dieser Woche nach Kühlheim, mal sehen, ob ich Kartoffel bekomme. Denk‘ Dir, ich habe bis jetzt noch keine Kartoffel kaufen können. Meine Marken gelten erst für die 81. Versorgungsperiode. Diese Woche soll es welche geben. Und ich muß ja auch

für die Feiertage sorgen. Auf Iddelsfeld ist es auch sehr knapp damit! Dann gibt es viele Laufereien. Für 1 Zentner Briketts mußte ich von morgens 10 ½ Uhr bis nachmittags 5 Uhr anstehen. Dann habe ich mir etwas Holz schon geholt. Du mußt mir dann helfen sägen, was ich nicht spalten kann. Den Keller habe ich mir gründlich gesäubert! Du siehst also, Arbeit habe ich genug. Der Durchbruch hat auch viel Schmutz + Arbeit gemacht! Ich will Dir ja sagen, so gemütlich wie früher ist es ja nicht mehr in der Wohnung. Es bringt doch Unruhe, bes. das Kind. Und dann ist die Frau so dreckig. Na, jetzt hat sie ihre Küche ja für sich! – Also am Donnerstag war Frau Margret Plantz wieder hier. Sie fuhr zu ihren Eltern an der Sieg. Die haben auch alles verloren. Auch ihre Schwester, die den Offizier zum Mann hat, der in Norwegen bei Deiner Einheit war. Sie erzählte von Plantz. Fr. Pl. ging es soweit noch gut. Herr Pl. ist im Krankenhaus. Es wäre nicht mehr mit ihm gegangen. Er hätte sich

mit Kleidern + Stiefel ins Bett gelegt! Auch gereinigt hätte er sich nicht mehr. Den Verlust seiner ganzen habe, (da die Wohnung leer war, das Haus einen Artillerietreffer hatte + hat man die Wohnung fast ganz ausgeräumt) träge er nicht allzu schwer. Fr. Plantz litte sehr darunter. Und keinen Pfennig Vermögen hätten sie. Sie leben von Margret! Sie ist ein liebes Mädel! So wünschte ich mir eine Schwiegertochter. Klug, lebendig, froh + aufgeschlossen + fleißig. Sie will auch später mit arbeiten + hat allerlei Pläne für die Zukunft! Sie steht mit beiden Beinen auf der Erde! So ähnlich stelle ich mir übrigens auch Schwester Heidi vor. Sonnig + froh scheint sie ja zu sein, das ist gut auch für uns Beide, wir sind ja nun auch keine „Surampels“, aber doch etwas schwer. Ob sie klug ist, mußt Du ja merken. Und lebendig + fleißig scheint sie mir auch. Hast Du nochmals mit ihr gesprochen. Sie müßte katholisch sein, damit Du auch darin mit ihr eins seiest. Sieh mal, die schönen kirchlichen Feste + Zeiten mußt Du doch zusammen innerlich mit Deiner zuk. Frau erleben. Auch im Hinblick auf die Kinder, die Gott Euch schenken möge! Ich wünsche Dir das so sehr! Wenn ich dagegen an die M. Hausmann

denke, das könnte ich mir nicht vorstellen, daß sie Dich auf die Dauer befriedigen würde! Bete, mein Junge, daß Dir der Herrgott auch darin hilft! Um nochmals auf Deinen Brief zurück zu kommen! Also das Buch gefällt Dir auch, ja es ist wertvoll! Auch mir hat es gut gefallen. Verleih‘ es nur nicht zu viel, damit es nicht leidet! In Köln war ich noch nicht! Ich will aber doch mal hin. Jetzt fährt die G. bis Gotenring. Am Freitag kam Johanna auf einmal mit Gepäck an. Sie solle es nur über die Grenze bringen, ist aber dann doch noch hier gekommen. Sie wollen nächste Woche alle kommen! Dann gehen Sammeltransporte! Oma litte sehr unter Heimweh! Ich bin froh, wenn sie wieder hier ist. Der kleine Rolf soll ein rechter Junge, und ein [..] sein. Oma sei alles bei ihm. Elli ist nochmals nach Mannheim zu ihrem Mann. Er hätte allerlei für sie! Der geht es gut, sie sieht nach wie vor blendend aus. Sie hat ja auch keinen Mangel! Fr. Perger erzählte mir, daß K. Heinz im Staatsexamen stehe. Sein Junge sei 14 Monate alt. Sie ist recht stolz. Albert hat mit den Beinen

zu tun; er muß viel liegen. Herr P. ist wieder zu Hause, Frau Holz sprach ich auch die Woche! Köbes hat vor einigen Wochen seine Praxis eröffnet, dort in ihrem Haus am Thielenbruch! – In unserm Haus ist es jetzt durch Viehhaltung + Holz u.s.w. recht dreckig + unordentlich! Gemacht ist natürlich auch noch nichts. H. Jansen flickt so überall herum. Jansens sind immer noch dieselben! Ich bin so froh, wenn Du mal wieder zu Hause bist! Dann habe ich meinen Pflichtenkreis! In meinem Haushalt vermisse ich so manches! Wenn ich darnach frage meint Fr. Jansen, andere hätten ja alles verloren. Das will ja nichts heißen. Sie haben ja längere Zeit in unserer Wohnung gewohnt. Nun denke ich viel an die Sachen in Liebenwerda. Hoffentlich bekommen wir sie einmal zurück!

Und nun mache ich Schluß! Mein lieber Junge, ich wünsche von Herzen, daß Deine Wunde recht bald + gründlich heilt. Bleibe gesund + froh! Freust Du Dich auf Weihnachten? Leider, leider habe ich nichts für Dich zum Nikolaus. Es geht nicht, Rudolf! Und nun empfange recht herzlichen Gruß + Kuß von
Deiner Mutter.