Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 5. Mai 1940

Köln-Dellbrück, 5. Mai 1940.

Mein lieber, lieber Junge!

Nun ist Sonntag-Abend. Ich will Dir erzählen, wie ich ihn, den Sonntag meine ich, verbracht habe. Dann habe ich ja auch noch weiter auf Deine Briefe zu antworten. Also, Hanni kam am Freitag Abend schlafen, nach langer Zeit, weil Liesel jetzt die Masern hat, und da wurde sie krank an den Ohren, die Nacht nicht geschlafen vor Schmerz. Na, jetzt nachdem wir etwas vom Arzt bekommen haben, (Öl für die Ohren + Kamillensäckchen) ist es besser. Ich habe das Bettchen von Elsbeth hier unten stehen, da kann sie dann vorläufig noch hier schlafen. Deshalb kam ich heute garnicht heraus. Das heißt, es war auch kein schönes Wetter; naß + kühl, heute Abend geht es einigermaßen. Oma war hier + Elli. Herr Lisch. ist wieder für 14 Tage nach Gladbach! Herr Grundig war hier + brachte Grüße von Herrn Schmidtke. Ich will ihm schreiben, wenn er will, mag er Pfingsten kommen. Ich habe genäht + erzählt. Ich wollte zu Berta. Tante Stina + O. A. gehen jeden Sonntag zu ihr. Am 1. Mai haben sie zusammen eine Rheintour nach Königswinter gemacht! Sie waren auch bei Profittlich in Rhöndorf. Berta scheint jetzt überhaupt mehr sich an Tante Stina anzuschließen. Es ist ihr jetzt doch etwas schwer, so allein sitzt sie nun da. Und der Mann kümmert sich um nichts, im Gegenteil, ist

nur häßlich zu ihr, wenn er sie sieht. Es ist hart! Na, vielleicht wird sie klug. Sie will in die Severinstraße gehen ins Klösterchen, und dann wieder nach Hause! Ihre Adr. Frl. B. H. bei Schlossers Köln, Machabäerstr. 49 III. Etage. Also Schlosser. Ich will in den nächsten Tagen nochmal hin. Sie ist ja so allein, keiner weiß etwas! Ja, sie muß es ausfechten! –

Wie geht es Dir nun? Ich hoffe gut! Was sagst Du zu den Erfolgen der letzten Tage? Man ist ordentlich stolz. Hoffentlich geht alles weiterhin gut! – Von mir kann ich Dir nichts Neues berichten. Es geht alles seinen alten Gang! Arbeit habe ich immer noch genug. Ich bin zufrieden, und das ist die Hauptsache! – Karl-Heinz Perger ist in Erholungsurlaub hier. Er sieht ganz gut aus. Na, mir ist schon lieber, Du bist gesund und dabei gewesen. Später wird es auch vielleicht besser sein! Alles wie Gott will mein Junge, wir sind dabei immer noch am besten gefahren. Ist’s nicht so?

Morgen muß Josef zur Musterung. Bin mal gespannt! – Rudolf was meinst Du, wenn jetzt Dein Gehalt kommt. Was ich übrig habe, soll ich zur Sparkasse bringen. Es wird doch diesmal gut gehen, daß wir nicht wieder alles verlieren, das wäre bitter.

Nun Schluß für heute! Bleibe froh + gesund, ich bin + bleibe in treuer Liebe
Deine Mutter.

Herzlichen Gruß + Kuß!