Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 9. März 1940

Köln-Dellbrück, 9. März 1940

Mein lieber Junge!

Nun muß ich gleich 2 Briefe beantworten, vom 2.II. + 3.II. Du schreibst aber fleißig, ich danke Dir sehr dafür. Man freut sich immer, wenn die Post etwas bringt! Und besonders, wenn es frohe + liebe Nachrichten sind. Gottlob, daß Du noch immer gesund bist! Das ist mir zunächst das Wichtigste! Ich freue mich aber auch, wenn ich Dich froh + zufrieden weiß. Ja, mein Junge, die Trennung müssen wir ja ertragen, Du hast recht, tausende haben das gleiche Los, es ist ja tröstlich, aber manchmal ist einem doch das Herz sehr schwer. Gestern hatte ich solch einen Tag. Heute habe ich nun bessern Mut! Heute Abend habe ich Hanni nochmal hier. Heinr. + Joh. sind aus. Hanni + ich, wir freuen uns alle Beide. Wie man sich an so ein kleines Menschlein gewöhnen kann! – Ich freue mich auch auf ein Bild von Margret, Du kannst Dir ja denken, daß ich neugierig bin! Übrigens ehe ich es vergesse, ich soll Dich grüßen von Gerti Scharrenbroich. Ich sprach sie heute Mittag. Sie ist noch auf dem Radium beschäftigt, es gefällt ihr noch gut da. Sie will auch nach dem Kriege heiraten, sie geht viel nach Refrath, dort ist auch Lia. Ich frug nach Köbes Holz, sie sagte, er hieße jetzt Rudi. Er hat sein Examen gemacht, ist in Gladbach im Krankenhaus. Was das eine Jahr Unterschied viel ausmacht. Ich muß jetzt so oft an den Ausspruch P. Vorspel’s denken: „Rudi ist ein Später!“ Ja, in Allem, er hat Recht. Auch in der Liebe nicht wahr. Viele Jungens sind doch schon mit 20 soweit! Na, gebe Gott, daß auch Du einmal zu dem von Dir gesteckten Ziele kommst! Ich wünsche Dir nur das

Aller-Allerbeste. Doch das weißt Du ja. – Da hast Du aber an alte Bekannte gedacht, wie kommt das? –

Nun noch etwas, Du schriebst in einem Deiner letzten Briefe, Du wolltest garnicht befördert werden! Warum denn nicht? Würdest Du Dich nicht freuen. Ich hätte aber große Freude. Wenn ich sähe, daß mein Junge tüchtig wäre, und das auch anerkannt würde. Würde Dich das nicht anspornen? Denk‘ mal wenn Du R.O.A. würdest? Das freute Dich auch wohl? Ich wünsche Dir da ein bischen mehr Ehrgeiz. Darin bist Du mir nicht ähnlich! – Wie ist es, hast Du die Bilder von Weihnachten noch nicht? Laß doch mal welche machen mit Deiner Erika drauf. Überhaupt Du als Reiter. Andere haben so viel. Ich habe nichts von meinem Jungen. Auch ich möchte mal voll Stolz Bilder zeigen können. Du kennst mich doch. Oder immer noch nicht?

Besondere Neuigkeiten weiß ich nicht. Viele Soldaten sind in Urlaub. Kommst Du auch bald? Nun ist morgen schon der Passionssonntag. Dieses Mal zieht keine Prozession aus nach Kalk. Es ist in Köln eine Feier, morgen Nachmittag. Ja der Krieg ändert alles. Nun muß ich noch nähen, Montag will ich abliefern. Hier läuft alles im alten Geleise weiter.

Bleib‘ mir gesund + froh, mein Junge und sei vielmals gegrüßt + geküsst von
Deiner alten Mutter.