Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 22. November 1941

Köln-Dellbrück, 20.11.41

Mein lieber, guter Junge!

Eben komme ich aus Köln, da finde ich von Dir 2 Päckchen vor + Deinen lieben Brief vom 14.11. Hab‘ vielen herzlichen Dank für alles. Das waren aber feine Päckchen, leckere Sachen + das Stückchen S. ist genau so viel wert. Leider hatte sich von dem Tönnchen der Deckel etwas gelöst, + es war etwas ausgelaufen, es hat aber doch noch gut gegangen. Heute Abend will ich mit Elli die Heringshäppchen probieren, das ist ja eine Delikatesse. Die Büchsen will ich noch etwas verwahren, dann habe ich mal etwas für des Abends. Auch will ich T. Stina davon etwas zu Weihnachten schenken, ich gehe immer dahin essen, ohne dafür etwas zu geben. Da will ich mich doch etwas erkenntlich zeigen. Also, mein lieber Junge, nochmals vielen Dank! Du glaubst nicht, wie ich mich gefreut habe. – Nun zu Deinem lieben, ausführlichen Brief. Also meinst Du, daß Du bald Urlaub bekommst? Heute sah ich den Krumsdorf hier in Dellbr. Ja, ob es Dir nun so hier gefällt, wie ich es jetzt habe: Die Küche ist klein, aber warm + gemütlich. Und wir haben ein Zimmer, wo wir essen können, für uns, und wenn jemand kommt. Ja, + wenn vorn das Zimmer fertig ist, dann haben wir es schön. Ich bin froh, heute bekäme

ich schon keine Lampe mehr. Man kriegt nichts mehr. Ich bin heute den ganzen Nachmittag in Köln herumgelaufen, ich hab noch nichts für Weihnachten, ich konnte noch nichts bekommen. Für Oma hätte ich gerne eine Handpostille gekauft, da sprach sie mal von, (sie hat noch nichts zum Namenstag) nichts bekomme ich. Fast alle relegiosen Bücher sind vergriffen. Überall, bei Benziger, b. Pustet, Herder, Gilde, Kolping, nichts ist zu haben, es wäre alles gekauft worden. Kein Gebetbuch ist zu haben. Es tut mir leid für Oma. – Also mit dem Studium ist es noch nichts. Wie Gott will, Rudolf, wir können nichts daran ändern, ich hatte ja so leise gehofft, diesmal würde es klappen. Bis jetzt hat unser Herrgott uns geführt, auch weiterhin wollen wir alles in seine Hand legen. Den Atlas kaufe ich Dir jetzt, und wenn er nicht zu schwer ist, schicke ich ihn Dir. Mit der arischen Abstammung das besorge ich jetzt bestimmt! Und gesund bist Du auch? Ja, es ist recht, tue etwas für Deine Gesundheit. Hast Du die warme Leibbinde bekommen? Trage sie immer. Sie hält warm, das schadet auf keinen Fall. Der Lischewski hatte auch eine, weil sein Vater im vorigen Krieg sich ein schweres Nierenleiden zugezogen hatte. Und dann Rudolf, wenn Du die Oberhemden trägst, lasse das warme Hemd darunter, denn das kühlt ja sehr, der Stoff.

Ja, mein Kind, ich kann mir denken, daß Dir seelisch manches fehlt. So Gott will geht der

Krieg auch einmal zu Ende. Und dann, dann mein Kind, dann haben wir es schön. Möge Gott uns gnädig sein + uns gesund erhalten. Ich war ja jetzt wieder etwas nervös, in 4 Wochen 10 Tote in Dellbrück. Allen Leute ging es so. Jetzt haben wir ja fast 14 Tage Ruhe gehabt. Gottlob. Wir sind immer noch in D. Am Samstag geht Elli nach Gladbach, weil Josef kommt. Ob ich mit hingehe, weiß ich noch nicht. Es gefällt mir jetzt so gut zu Haus, es ist so schön warm des Abends hier. Ja, die Arbeit gefällt mir ja nicht so, es wird so wenig verdient. Ich sprach noch heute mit Fr. Severin darüber. Es sind ja viele Frauen bei der Wehrmacht in Riehl, die sollen schön verdienen. Es ist nur schwer, dahin zu kommen. Und dann später, dann steht man da, und dann bin ich von Hause fort. Was meinst Du. Ich kann aber jetzt von mir aus nichts anschaffen, ich brauche alles für den Haushalt, Brand, Licht, Essen u. Kleidung. Ich möchte auch gerne tüchtig sparen, es tut mir schon immer leid, wenn ich die Miete nehmen muß. Und jetzt, wo ich die beiden Teile gekauft habe, konnte ich nichts sparen. –

Heinrich ist wieder fort, er hat mir Angora Wolle für ein Schälchen geschickt. Es würde ihm schwer, aber er hoffe, Weihnachten wieder in Urlaub zu kommen. – Elli hat hier Namenstag gefeiert, alle waren hier. Sonntag will ich nun den Rest backen + Dir dann die Päckchen für Weihnachten fertig machen.

So Rudolf nun habe ich Dir alles erzählt. Hier

ist also alles beim Alten. Das tägliche Einerlei. Alles, alles Gute mein Junge + Gott befohlen.

Sei aufs Herzlichste gegrüßt + geküsst von
Deiner Dich l.
Mutter.