Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 12. Januar 1941

Berg.-Gladbach, 12. Januar 41.

Mein lieber Junge!

Nun sind wir nach langer Zeit mal wieder einen Sonntag in Gladbach. Es war gestern so schönes Wetter, daß wir beschlossen, zu fahren. Heute ist es nun doch nicht so schön, wenigstens scheint die Sonne nicht. Trotzdem haben wir einen schönen Spaziergang gemacht! – Wie ist es nun mit Dir mein Junge? Kommst Du bald. Man weiß ja nichts, weil wieder keine Post kommt. Der letzte Brief von Dir datiert vom 2ten Weihnachtstag. Da kannst Du denken, daß ich warte auf weitere Nachricht. Vielleicht hast Du schon Deine Ankunft angezeigt, und ich weiß noch nichts. Ich möchte doch zu gerne zu Hause sein, wenn Du nach der langen Reise nach Hause kommst. Auch wird wieder von Urlaubssperre gesprochen. Wir hatten vor, diese Woche mal wieder nach Gladbach zu fahren. Die Engländer waren noch mal ordentlich in Köln nach langer Zeit. Wie geht es Dir nun? Du freust Dich doch sicher auf den Urlaub? Und ich erst! Hoffentlich kommen dann die Engländer nicht zu oft. Wie wird dann das Heim wieder lebendig werden, dann bin ich nicht mehr allein. Ich will es Dir so schön machen, wie ich nur kann, damit es Dir auch gefällt! Ja, wenn Du mal wieder für ganz nach Hause kämst, wer hätte gedacht, daß es so lange dauern würde. Aber, wir wollen nur zufrieden sein, wenn wir gesund wieder beieinander sind. Bis jetzt können wir ja mal Gott

danken, daß es uns so gut gegangen hat! Ich fühle mich gesundheitlich auch etwas besser. Ich bin viel ruhiger geworden. – Nun ist der Januar schon halb herum. Es bleibt schon des Abends bis 6 ½ Uhr hell. Auch des Morgens merkt man es schon ein wenig, daß die Tage gelängt haben. Ja, die Zeit geht weiter, unbekümmert um das Weltgeschehen. Auch wird hoffentlich der Krieg bald weitergegen und zu Ende kommen, zum Siege. Das ist wohl unser aller tiefster Wunsch! – Neues, besonders kann ich Dir nicht mitteilen. Alles geht im alten Geleise weiter. Der Alltag fordert sein Recht. Man muß weiter sorgen. Hast Du nun auch das Geld schon erhalten?

Nun hoffe ich aber bestimmt, daß bald Post kommt. Das ist augenblicklich mein größter Wunsch! Mein Kind ich grüße Dich recht herzlich und sende Dir auch einen treuen Kuß
Deine Dich l. Mutter.